Siegen/Burbach. . Mann wirft Sicherheitspersonal der Burbacher Erstaufnahmeeinrichtung Misshandlung vor und klagt in einem Zivilprozess vor dem Amtsgericht Siegen.

Das Video, das den Flüchtling in der Burbacher Erstaufnahmeeinrichtung zeigt, wie er in seinem Erbrochenen liegt, den Fuß eines Wachmanns auf seinem Kopf, ist im September 2014 durch die Republik gegangen. Im März 2017 hat die Staatsanwaltschaft 38 Personen, überwiegend ehemalige Wachleute, angeklagt. Der Strafprozess lässt auf sich warten. Einen ersten Vorgeschmack gab es am Freitag im Saal 72 des Amtsgerichtes.

Im Zivilprozess „sehr schwache“ Position

Richter Solbach erklärt den Unterschied zwischen Straf- und Zivilverfahren: Hier müssten die Parteien ihr Vorbringen durch schlüssige Argumente untermauern. In dieser Hinsicht sei die Position des Klägers „sehr schwach“. Es gebe nur einen direkten Zeugen, nämlich den abwesenden Kläger. Dass ein anderer Beteiligter Stimmen der Beklagten in einem Video erkannt haben wolle, sei nicht ausreichend.

Kein Strafverfahren, sondern eine Zivilklage gegen vier Männer, die 3.000 Euro Schmerzensgeld zahlen sollen. Der Kläger, eines der mutmaßlichen Opfer von 2014, ist nicht da. Trotzdem wird es bei vier Beklagten plus Anwälten voll. Aber sicher kein Vergleich mit dem, was da noch kommen könne, findet Amtsrichter Klaus-Jürgen Solbach, stellvertretender Direktor des Amtsgerichts.

Verjährungsfrist läuft ab

Der inzwischen 23-jährige Kläger hat den Antrag gegen vier der mutmaßlichen Täter gestellt, die ihn misshandelt und unter anderem längere Zeit in seinem Erbrochenen liegen lassen haben sollen. Der Richter wirkt nicht erfreut, dass ausgerechnet der Kläger nicht gekommen ist. Das Quartett der Beklagten samt Anwälten macht einen lockeren Eindruck, schon auf dem Flur wird reichlich geplaudert und gelächelt.

Julia Kusztelak, die Anwältin aus Iserlohn, ist „mit Bauchschmerzen“ nach Siegen gefahren, hat schon befürchtet, dass der Mandant nicht kommt. Sie hätte mit der Zivilklage ohnehin lieber auf den Ausgang des „Umfangsverfahrens“ gewartet, wie der ausstehende Mammut-Strafprozess in den Akten betitelt wird. Verjährungsfristen machten es jedoch unumgänglich, die Klage noch vor dem 1. Januar 2018 „rauszuhauen. Und jetzt kommt er nicht...“. Ihr Antrag, die Entscheidung bis zum Ende des Strafverfahrens auszusetzen, wurde vom Gericht abgelehnt.

Kläger ist verschwunden

Ende 2017 saß ihr Mandant noch in Haft, war nach den Vorfällen in der Unterkunft selbst mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Er spreche inzwischen perfekt Deutsch, habe zwei Ausbildungen absolviert und sei vorzeitig wegen guter Führung entlassen worden. Seither ist er allerdings verschwunden, es gibt keinen Kontakt.

Ohne die Vernehmung ihres Mandanten sieht der Richter keinen Sinn darin, die Beklagten zu vernehmen, die alle vier jede Verantwortung von sich weisen. Allein das mache sie aber trotzdem ärgerlich, entgegnet Julia Kusztelak. Nur einer habe überhaupt eingeräumt, zur Tatzeit vor Ort gewesen zu sein. Dabei ergebe sich aus den Akten zumindest bei einem der anderen drei sehr klar, dass er die Unwahrheit sage.

Entscheidung vertragt

Der Richter denkt kurz über die Möglichkeit eines Vergleichs nach. Ein Entgegenkommen der Beklagten sei aber mit Blick auf den Strafprozess wohl ohnehin nicht zu erwarten, sagt Solbach und schaut in die Runde. Von den vier Männern und den Anwälten kommt keine Reaktion. Sie müssen nichts mehr sagen und verlassen den Raum.

Die Entscheidung wird erst später fallen. Solbach will sich Zeit nehmen. Obwohl er ja schon Tendenzen angedeutet habe, sagt er. Die Anwältin des Klägers geht auch. Erkennbar mit Wut im Bauch. Jetzt hofft sie auf seine Anwesenheit beim Strafverfahren. Die mutmaßlichen Misshandlungen gegen den Mann seien „ein maßgeblicher Teil der Anklage“. Ansonsten könnte das Quartett auch dort davonkommen.

  • Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook