Siegen. . Universität Siegen möchte noch stärker von Europäischer Forschungsförderung profitieren. Etat soll steigen. EVP will in 20 Jahren Krebs besiegen.

Wenn Peter Liese nicht in Brüssel oder Straßburg arbeitet, ist er häufig in Südwestfalen unterwegs, um den Menschen seinem Wahlbezirk deutlich zu machen, wie sie von der EU profitieren. Bei seinem gestrigen Besuch an der Uni Siegen musste er allerdings keinerlei Überzeugungsarbeit leisten: „Ein Viertel aller Drittmittel [das ist das Geld, das nicht als Grundfinanzierung vom Land kommt, d. Red.] ist heute europäischen Ursprungs“, sagt Peter Haring Bolivar, Prorektor für Forschung. „Das sind acht bis zehn Millionen Euro pro Jahr.“

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Was Haring Bolivar noch wichtiger ist als das Geld: „Die europäischen Projekte ermöglichen uns den Kontakt mit Spitzenforschern in ganz Europa. Das ist auch für Partner aus der Wirtschaft häufig von größerer Bedeutung als die finanzielle Forschungsförderung.“

14 Projekte der Uni Siegen werden gefördert

Liese setzt sich mit seinen Kollegen im Europäischen Parlament dafür ein, dass der EU-Forschungsetat trotz knapper Kassen – der Brexit und die Flüchtlingskrise reißen Löcher – erhöht wird: „Ich freue mich, dass Kommissar Günther Oettinger vorgeschlagen hat, die Förderung in den nächsten Jahren auf 100 Milliarden Euro zu erhöhen. Das Parlament fordert sogar 120 Milliarden.“

Im Programm Horizon2020, das seit 2014 bis Ende 2020 läuft, sind es knapp 85 Milliarden Euro. Aus diesem Topf konnte die Uni Siegen Mittel für 14 Projekte einwerben. Das größte beschäftigte sich mit den Reaktionszeiten der Elektronik in Autos und einer besseren Kommunikation der Systeme untereinander, die vor allem für das autonome Fahren von Bedeutung ist. Die Uni Siegen hat dabei einen Verbund von 16 europäischen Partnern koordiniert.

Projekte im Bereich Medizin im Fokus

Was die Siegener Wissenschaftler an der EU-Forschungsförderung noch schätzen: „Anders als in Deutschlands sind große Unis mit Tradition nicht automatisch besser gestellt“, betont Haring Bolivar. Allerdings ist die Konkurrenz groß. Das Treffen mit Liese diente deshalb auch dazu, Erfolgsstrategien zu erörtern. Da spielen die noch besser ausgestatteten Regionalfonds eine wichtige Rolle, die zwar nicht direkt Forschung fördern, aber Infrastruktur, die eine Voraussetzung dafür bildet. Hier sieht Liese größere Chancen. Die Vergabe erfolgt indirekt über Düsseldorf.

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Das hat einst geklappt mit dem Automotive Center Südwestfalen in Attendorn, für da 16 Millionen Euro von der EU flossen. „Solche Projekte schweben uns auch im Bereich medizinische Versorgung vor“, sagt Peter Haring Bolivar. Hintergrund ist die Lebenswissenschaftliche Fakultät, die im Herbst 2019 startet und einzig in Europa ist: „Ziel ist, dass sich Ingenieure, Biologen Chemiker und Mediziner untereinander verstehen“, erläutert Dekan Jaap Verweij, „das ist entscheidend für die Zukunft der Gesundheitsversorgung.“

Die Christdemokraten im Europaparlament (EVP), deren gesundheitspolitischer Sprecher Liese ist, haben sich das Ziel gesetzt, die Krebsforschung so zu fördern, dass in 20 Jahren kein Europäer mehr an Krebs stirbt. Entscheidend dafür ist die europäische Zusammenarbeit. Bei seltenen Krebsarten braucht man mehr Daten, als national verfügbar sind. Und weil die Behandlungen immer spezialisierter werden, sind so gesehen alle Krebsarten bald selten. Aber 20 Jahre – ist das nicht zu optimistisch? „Wenn wir 20 Jahre zurückblicken und sehen, was wir heute haben, das damals unvorstellbar war, muss das nicht unrealistisch sein“, meint Holger Schönherr, Professor für Physikalische Chemie.

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