Wie man mit Talsperren weiter durch die Trockenheit kommt
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Essen/Möhnesee. . Aus Essen steuert der Ruhrverband die Wassermengen, die Möhne, Henne, Bigge und Co. abgeben, um die Wasserversorgung weiter zu sichern.
Die Möhne fließt zügig dahin. Monatelange Trockenheit – man sieht ihr nichts davon an ein paar hundert Meter unterhalb der Talsperrenmauer. Claudius Koziol vom Ruhrverband hat eine Luke unterhalb des Pegelhäuschens bei Günne geöffnet, zeigt die Messlatte darin. Der Wasserspiegel steht bei 1,48 Meter. Alles gut.
Denn wenn der Pegel bei 1,48 Meter steht, fließen 6,2 Kubikmeter Wasser pro Sekunde vorbei. So steht es in den Tabellen, die im Pegelhäuschen aushängen: die so genannte Abflusskurve, die für den Pegel Günne durch Messungen erstellt worden ist. Aber Claudius Koziol misst heute noch einmal nach. Der gelernte Bautechniker setzt eine flaches Boot auf Wasser. Darauf ein Ultraschallgerät, ein GPS-Sender, eine Antenne. Langsam wird diese Boot an einer Art Seilbahn, die über das Flüsschen führt, quer über die Möhne gezogen. So misst das Gerät wie schnell die Partikel im Wasser – und damit auch das Wasser – hier vorbeifließen.
Pegel stabil
Alle vier bis sechs Wochen prüft Claudius Koziol so, ob die alte Abflusskurve noch stimmt – oder sich etwas verändert hat, weil sich vielleicht im Gewässer etwas angestaut hat. „Der Pegel Günne ist recht stabil“, sagt er. Bei anderen der 50 Messstationen im Gebiet des Ruhrverbandes müsste die Abflusskurve einmal pro Jahr angepasst werden. Doch der Pegel Günne bleibt gleich. 6,35 Kubikmeter Wasser pro Sekunde – das hat die Messung von Claudius Koziol ergeben. Etwa 100 Liter mehr als eigentlich vorbeifließen müssten – kein Problem.
Pegelstand 1,48 Meter und rund 6,2 Kubikmeter Wasser pro Sekunde – alles wie es sein soll. Wäre der Pegel zwei Zentimeter niedriger, würde also weniger Wasser abfließen – die Talsperre müsste ein Stück aufgedreht werden, erklärt Claudius Koziol. Denn 6,2 Kubikmeter pro Sekunde müssen es sein, die die Möhne hinab in die Ruhr fließen. Dazu summiert sich Wasser aus der Sorpe und der Henne, so dass in der Ruhr am Pegel Villigst bei Schwerte mindestens 8,4 Kubikmeter pro Sekunde durchströmen – im Fünf-Tage-Mittel.
So viel müssen es laut Gesetz sein, auch in einer so langen Trockenperiode wie in diesem Jahr, erklärt Georg zur Strassen. Um die Wasserversorgung der Bevölkerung nicht nur entlang der Ruhr, sondern auch weiter nördlich im Bereich der Emscher- und Lippe zu sichern.
Aber auch, damit das Ökosystem mit Fischen und Pflanzen funktioniert. Georg zur Straßen sitzt in Essen, in der Talsperrenleitzentrale des Ruhrverbandes. Hier gehen alle Messdaten ein: Pegelstände, Durchfluss, Wettervorhersagen. Hierhin meldet Claudius Koziol seine Messungen. Und anhand diese Daten entscheiden die Mitarbeiter, ob die Talsperren mehr Wasser ablassen müssen, um in dieser heißen Zeit den gesetzlichen Mindestwert zu halten. Und sie entscheiden auch, welche Talsperre dazu wie viel Wasser beiträgt.
Hoffen auf Füllphase
Georg zur Strassen ist also quasi Wächter über den „Wasserschatz“, wie er selbst die Talsperren im Ruhrgebiet nennt. Ein Schatz, weil ohne Möhne-, Henne- und Sorpe-Talsperre die Ruhr am Pegel Villigst in diesem heißen Jahr bereits seit Mitte Juni trocken wäre, erklärt Georg zur Strassen.
So wie es früher oft der Fall war, als es die Talsperren noch nicht gab. Georg zur Strassen zeigt ein Bild aus dem heißen Sommer des Jahres 1911, als Menschen in Mülheim vor ein paar kläglichen Pfützen stehen. Wochenlang saßen die Menschen damals nahezu auf dem Trockenen; Typhus breitete sich aus.
Bis man im heißen Jahr 2018 auf dem Trockenen sitzt, muss noch eine Menge Wasser Möhne, Henne, Sorpe Lenne und Ennepe hinunterfließen. Auch wenn die Talsperren insgesamt nur noch etwas mehr als die Hälfte des Wasserschatzes enthalten, den sie eigentlich fassen könnten: Bis Dezember sieht Georg zur Strassen kein Problem. Dann aber müsse es regnen: „Wir hoffen auf eine Füllphase im Winter.“,
Grenzwerte absenken
Falls nicht, könne das Land entscheiden, den Grenzwert für den Mindestabfluss zeitweise zu senken. Dann werde der Wasserschatz gestreckt. So wie im Jahr 2003. Damals hatte der Ruhrverband in den Talsperren Spielraum gelassen, um den Schnee nach der Schmelze fassen zu können. „Doch dann wurde es so schnell so warm, dass der Schnee verdunstete“, blickt zur Strassen zurück. Auch 2017 entschloss man sich nach einem trockenen Frühjahr, den Grenzwert zu senken. „Und dann fing es im Juli an zu regnen“, so zur Strassen. „Wir hatten Glück.“
Kaum Wasser im Edersee
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Und wenn das Glück in diesem Jahr ausbleibt? Wenn der Klimawandel fortschreitet? Schon vor Jahren hat der Ruhrverband eine Klimafolgenanalyse in Auftrag gegeben: Das Ergebnis: Alle 200 Jahre werden die Talsperren künftig einmal leer sein – statistisch gesehen. „Aber nur, wenn wir den Grenzwert nicht absenken“, sagt Georg zur Strassen. Zuletzt habe die Bevölkerung 1959 dazu aufgerufen werden müssen, Wasser zu rationieren. Das war, bevor die Biggetalsperre stand.
59 Jahre später fließt das Wasser der Möhne zügig. Den trockenen Sommer sieht man ihr nicht an.
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