Winterberg. . Täglich wird derzeit über Spannungen zwischen Nordkorea und USA berichtet. Was Bob-Cheftrainer René Spies über Olympia 2018 denkt – in Südkorea.

  • Politische Spannungen sorgen bei Spies nicht für Unruhe
  • Nur bei den Damen ist noch ein Weltcup-Platz frei
  • In Pyeongchang geht es auch um die Zukunft von Spies

Für sich betrachtet sind 200 Tage eine lange Zeit. Für René Spies, den Chef-Bundestrainer der deutschen Bobfahrer und -fahrerinnen, sind 200 Tage eine Wegmarke. In 200 Tagen wird der Winterberger bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang am Eiskanal stehen und um Medaillen kämpfen. Im Zweierbob der Herren fällt am 19. Februar 2018 die erste olympische Bob-Entscheidung. Spies spricht im Interview mit dieser Zeitung aber nicht nur über den Sport und seine Zukunft, sondern auch über Politik.

Herr Spies, Nordkoreas Diktator Kim Jong-un testet Raketen, mit denen er die USA bedroht – und diese rasselt ihrerseits mit den Säbeln. Überkommt Sie ein mulmiges Gefühl, wenn Sie an die Olympischen Winterspiele im südkoreanischen Pyeongchang denken?
René Spies: Für die Vorbereitung spielt dieser Aspekt überhaupt keine Rolle, aber natürlich ist das Thema präsent. Wenn man liest, wie unberechenbar der Diktator in Nordkorea offenbar ist, denkt man beim Blick auf die Landkarte schon mal darüber nach, dass die Bahn nicht so weit von der Grenze zum Norden entfernt ist. Aber die Gedanken sind auch schnell wieder weg. Mir ist die Zeit vor den Spielen in Russland noch sehr präsent. Damals wurde viel über die Rebellen im Kaukasus gesprochen – jetzt haben wir wieder so eine ähnliche Lage.

Sie zucken also nicht zusammen, wenn Sie die neuesten Nachrichten über Raketentests, Flugzeugträger und ähnliches hören oder lesen?
Wie gesagt, du denkst kurz darüber nach und nach fünf Minuten ist es wieder weg. Sonst dürfte man gar nicht mehr in ein Flugzeug steigen, wenn man solche Ängste hätte.

René Spies denkt aktuell ziemlich entspannt an die Olympischen Spiele 2018. Foto: Ralf Rottmann Und wie haben Sie bei Ihren bisherigen Besuchen die Sicherheitsvorkehrungen an der Bahn erlebt?
(schmunzelt) Na ja. Ich habe die Olympischen Spiele in Salt Lake City miterlebt, die ein halbes Jahr nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 stattgefunden haben. Es war unvorstellbar, ohne Akkreditierung an die Bobbahn zu kommen. In Sotschi war es 2014 ebenso unvorstellbar. Hattest du deine Akkreditierung vergessen, musstest du eineinhalb Stunden zurück ins Hotel fahren, um sie zu holen – und das war auch in den Trainingswochen vor den Spielen so. In Südkorea herrschte bislang, wenn wir vor Ort waren, jedesmal Tag der offenen Tür. (lacht)

Müssen Sie in den verbleibenden Monaten und Tagen noch viel organisatorische Arbeit leisten?
(grinst) Wir könnten heute starten mit den Olympischen Spielen, weil wir eigentlich schon alles organisiert haben. Das ist auch ganz, ganz wichtig, damit wir uns in Ruhe vorbereiten können. Aber ich merke, dass ich jetzt täglich bei Olympia bin, weil immer noch Dinge kommen, auf die man reagieren muss. Auf den Sport geschaut: Liegen Sie mit der Vorbereitung im Soll?
Bislang läuft alles so, wie wir es uns erwünscht haben. Im Moment sind alle Piloten und Pilotinnen gesund, bei den Anschiebern und Anschieberinnen gibt es kleinere Blessuren, die bis zum Saisonstart auskuriert sein werden. Das bleibt nicht aus bei 74 Kaderathleten, von denen ungefähr 30 für die Olympischen Spiele in Frage kommen.

Gilt diese positive Einschätzung auch für das Material?
Im Materialsektor sind wir auch auf Stand. Wir konnten es durchbringen, dass wir wieder mit zwei Systemen fahren. Francesco Friedrich und Johannes Lochner fahren im Zweier wie im Vierer einen Wallner-Bob, alle anderen fahren FES-Bobs – so, wie sich die Piloten das gewünscht haben. Deshalb, Stand jetzt, wir klopfen auf Holz, liegen wir voll im Soll.

Das heißt, das unruhige Hin und Her beim Material aus der vergangenen Saison wird in dieser Weltcup-Saison nicht wiederholt.
Das fällt in diesem Jahr weg. Wir haben zwei wirklich komplett unterschiedliche Schienen mit unterschiedlichen Betreuern und Trainern, eine Wallner-Schiene und eine FES-Schiene. Man trifft sich nur beim Essen und bei Besprechungen, ansonsten sind die Systeme separiert und es gibt keine Berührungspunkte.

Wie dramatisch wird der Kampf der Piloten um die Weltcup- und damit die Olympia-Plätze?
Bei den Männern ist alles klar. Wir gehen mit Friedrich, Lochner und Walther in den Weltcup. Bei den Frauen sind Steffi Schneider und Mariama Jamanka vornominiert, wenn sie im Sommer bei den Tests eine gewisse Startleistung bringen. Sonst müssen sie doch in die normale Selektion. Für Teams wie Köhler, Kalicki, Kroll, Duljevic oder Senkel geht es in zwei Selektionen um den dritten Platz.

Das Unternehmen Gold läuft.
Die sportlichen Werte aller Athleten sind gut, aber das Projekt Gold läuft bei sieben anderen Nationen auch (lacht). Wir müssen vornehmlich gesund bleiben und noch eine Schüppe drauflegen.

Die historische Medaillen-Nullnummer der Bobs von Sotschi darf sich nicht wiederholen.
Das ist ja klar.

Bei der WM 2017 am Königssee gewannen die Piloten Francesco Friedrich und Johannes Lochner zeitgleich den Titel im Viererbob. Foto: Imago In Pyeongchang geht es auch um Ihre Zukunft als Cheftrainer, oder?
Mein Vertrag läuft bis Ende 2018. Das ist aber nebensächlich. In erster Linie kommt es für unsere Sportart und den ganzen BSD (Bob- und Schlittenverband für Deutschland, d.Red.) darauf an, dass wir wieder Medaillen holen und in die Erfolgsspur zurückfinden. Ich bin mir dessen bewusst, dass ich einen Posten inne habe, bei dem es zwei Tage nach den Olympischen Spielen für mich vorbei sein kann.

Bei der WM am Königssee in diesem Jahr waren die deutschen Bobs bereits wieder in der Erfolgsspur. Vielleicht werden Sie ja aus Südkorea auch auf Händen zurück nach Deutschland getragen.
(lacht) Das würde ich gar nicht wollen. Wenn es negativ läuft, kannst du die Berichte nicht ändern – und wenn es positiv läuft, auch nicht. Es wäre einfach für alle – Athleten, Trainer, Betreuer, Verbandsmitarbeiter – einfach für alle, die in den vergangenen Jahren viel gearbeitet und verändert haben, absolut verdient, wenn wir auch bei Olympia in die Erfolgsspur zurückfänden.