Siegen/Freudenberg. . Päckchen per Dreirad: Das Logistik-Unternehmen Gieseler aus dem Siegerland setzt trotz der hügeligen Topographie auf das E-Cargo-Bike.
- Päckchen werden mit dem Dreirad gebracht
- Logistik-Unternehmen Gieseler setzt auf das E-Cargo-Bike
- Topographie im Siegerland fordert Fahrradkuriere heraus
So war das alles nicht geplant. Aber dann verlor ein Fahrer, den man gerne halten wollte, den Führerschein und Timo Gieseler machte aus der Not eine Tugend. Das war vor zwei Jahren. Und heute sagt Sven Ermert, der als begeisterter Radfahrer noch nie einen Führerschein hatte: „Es ist doch großartig, fürs Fahrradfahren bezahlt zu werden.“
Dafür hat er sich auch an die zuvor strikt abgelehnte Unterstützung durch den Elektromotor gewöhnt: „Ohne wäre es unmöglich.“ Denn Gieseler hat seinem Fahrer ordentlich was aufgepackt: Der Juniorchef beim Freudenberger Logistiker Gieseler Cargo Service Point setzt auf das E-Cargo-Bike, ein dreirädriges Lastenfahrrad mit elektrischer Unterstützung, das es bei voller Ladung auf mehr als 300 Kilogramm Gewicht bringen kann.
Projekt von der Universität Siegen geleitet
Den drei Cargo-Bikes stehen bei dem Unternehmen, das vor allem für UPS ausliefert, mehr als 40 vierrädrige Lieferfahrzeuge gegenüber – eine Nische. Aber auf 4,5,6 Räder will Timo Gieseler schon kommen und auf acht oder zehn Mikrodepots – Garagen, in denen die Dreiradfahrer mehrmals am Tag ihre Pakete abholen. „Das war schwierig am Anfang“, erinnert sich Gieseler. „Wir mussten unsere Tour-Strukturen völlig umstellen und hatten Schwierigkeiten, die Stadt Siegen zu überzeugen, dass wir einen Container aufstellen dürfen.“ Inzwischen aber herrsche bei der Wirtschaftsförderung eine neue Offenheit – auch wegen Remonet.
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Die Abkürzung steht für Regionales e-Mobility Netzwerk, das Projekt wird vom Bund gefördert und von der Universität Siegen geleitet. Es geht dabei um die Ablösung von Verbrennungsmotoren, aber auch generell um Alternativen zum Privatauto.
„Und dabei spielt das E-Bike eine wichtige Rolle“, sagt der Soziologe Dr. Jürgen Daub vom Lehrstuhl für Innovations- und Kompetenzmanagement. „Das ist ein tolles neues Verkehrsmittel, eine Brückentechnologie für alle, ein vollständiges Nahverkehrsmittel, das auch Busse ersetzen kann.“
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Daub stellt sich den Aufbau von Sharing-Systemen vor, Ladestationen alle paar hundert Meter, komplett getrennte Radwege, neue Ampelsysteme und Kreuzungen. „Wir werden dem Auto Platz wegnehmen müssen“, ist er überzeugt.
Region ist noch aufs Auto fixiert
Das ist natürlich schwer in einer Region, die sehr aufs Auto fixiert ist. Auch wegen der Topographie. „In die Siegener Oberstadt schaffe ich es mit dem Gewicht nicht“, sagt Paketlieferant Ermert. 150 bis 200 Pakete transportiert er täglich und fährt dabei zwischen Geisweid und Weidenau 25 bis 40 Kilometer. Einen Wechselakku hat er dabei. „Das reicht.“
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Was anfangs nicht reichte, waren Reifen und Felgen, die nicht auf das Gewicht eingerichtet waren. „Wir hatten viele Schäden“, erinnert sich Timo Gieseler. Inzwischen hat man nachgerüstet. Es läuft. Die Fahrer würden sich auch bei Schnee und Kälte nicht beschweren. Im Gegenteil: „Das E-Bike macht den Job attraktiver. Weniger Stau-Probleme. Und die Fußgängerzone ist auch außerhalb der Lieferzeiten nicht tabu.“ Außerdem seien auch die Kollegen mit Auto 80 Prozent ihrer Arbeitszeit nicht im Wagen. „Es gibt Fahrer, die zum Fahrrad wechseln wollen“, sagt Gieseler. „Das ist stressfreier.“ Und das ist wichtig, wo Arbeitskräfte dringend gesucht werden.
Übergangsmodelle
Über Elektromobilität generell denkt Firmenchef Wilhelm Gieseler schon länger nach. Momentan sind die Preise noch ein Problem. Auch in dieser Hinsicht zahlt sich das E-Bike aus. „Wir ersetzen damit ein vollwertiges Auto.“ Zu einem Bruchteil der Kosten. Innovationsforscher Daub erwartet weitere Übergangsmodelle zwischen Fahrrad und Elektroauto: „Die Grenzen lösen sich auf.“
Was bleibt, sind die Berge. Deshalb ist Siegen vielleicht kein Trendsetter. Aber in dem Fall gilt die „New York, New York“-Devise: Wer es hier schafft, schafft es überall.