Hemer. . Ganz neu ist es nicht, neben Sonnen- auch Windkraft zur Stromerzeugung am Eigenheim zu nutzen. Das erste Privathaus in NRW ist jetzt am Netz.

  • In Hemer steht das erste private Hybridhaus in NRW. Strom wird hier aus Sonnen- und Windkraft erzeugt
  • Bis zu 90 Prozent des Eigenstrombedarfs soll die Anlage inklusive modernem Speicher decken
  • Ganz unumstritten ist die Nutzung von Windkraftanlagen in dicht bebauten Siedlungen nicht

Steigende Strompreise, sinkende Einspeisevergütungen - da gewinnt der Traum von der Eigenstromversorgung Verlockung. Die Mendener Firma Greg reagiert darauf mit einem „Hybridhaus“, das sowohl Windkraft als auch Strom aus Sonnenenergie nutzt. In NRW steht das erste Privathaus mit dieser Konfiguration in Hemer, nahe des Sauerlandparks.

Seit Dezember am Netz

Im Dezember vergangenen Jahres ist das Hybridhaus ans Netz gegangen. Entsprechend liegt eine reale Leistungsbilanz der Windturbinen und der PV-Anlage noch nicht vor. „4000 bis 4500 Kilowattstunden Strom liefert die Anlage 2017 mit Sicherheit“, glaubt Norbert Jonen, Geschäftsführer der „German Renewable Energy Group“, kurz Greg. Ein Großteil des Stroms dürfte mit der PV-Anlage produziert werden, aber „die beiden Windströmungsturbinen reichen, um die Grundlast zu ­sichern“, versichert Jonen.

Leistungsangaben unter optimalen Bedingungen

Die Anlage in Hemer leistet über Photovoltaik 3,7 Kilowatt-Peak, also in der Spitze. Solche Angaben beziehen sich immer auf optimale Bedingungen. In Deutschland bezogen auf Sonneneinstrahlung an einem Sommermittag. Das smarte am Hybridhaus soll sein, dass die Windturbinen die PV-Anlage in schattigen Stunden ergänzen.

Das Besondere dieser Hybridanlage sei die Kombination aus Wind- und Sonnenkraft. Die Turbinen, die ähnlich aussehen wie Lüfter, haben laut Anbieter zum einen den Vorteil, dass sie „schon bei einem lauen Lüftchen anlaufen und Strom produzieren“ (Jonen), und dass sie so kompakt sind, dass für sie keine Baugenehmigung eingeholt werden müsse. In die Turbinen sei bereits ein Wechselrichter eingebaut, der den erzeugten Windstrom bereits als Wechselstrom mit 230 Volt im Haus ankommen lässt. Ein zweiter Wechselrichter ist in der Technikzentrale im Haus installiert, wo auch der Lithium-Eisenphosphat-Stromspeicher steht. Auf dem Weg zur Selbstversorgung war bislang der Speicher eines der teuren Probleme. „Wenn Sie darauf warten, den optimalen Speicher zu bekommen, bekommen Sie nie einen“, sagt Jonen - und hat wohl nicht ganz unrecht.

Strömungsturbine umstritten

Das Gesamtpaket wie es in Hemer verbaut ist, kostet nach Jonens Angaben unter 20 000 Euro. Wann sich die Anlage amortisiert hat, hängt - wie immer - von der erbrachten Leistung, der Entwicklung des Strompreises und der Höhe der Einspeisevergütung ab, solange es sie noch gibt. Jonens Prognose: „In zehn bis zwölf Jahren.“

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Bis zu 90 Prozent des benötigten Stroms im Haus in Hemer soll über die Hybridanlage abgedeckt werden können. Nah dran also am Traum von der Autarkie. Jonens Sohn Christoph, 28-jähriger Besitzer des Referenz-Hybridhauses, hofft jedenfalls „im Rentenalter keinen Strom mehr bezahlen zu müssen“. Könnte klappen, mit welcher Technik auch immer. Unumstritten sind die in Hemer eingesetzten Windturbinen nicht. In einer dicht bebauten Siedlung herrscht weniger Wind als auf einer freien Anhöhe, wo sich Windräder in der Regel befinden. Die Anbieter der Windturbinen argumentieren gerne damit, dass es sich um Strömungsanlagen handelt, die die Anströmfläche des Daches nutzen und bei sehr geringen Windgeschwindigkeiten bereits anliefen.

Nächstes Thema „Mieterstrom“

Das Mendener Unternehmen ist nicht allein auf dem Markt, nur erster Anbieter in NRW. In der kommenden Woche soll die Hybridtechnik auf einem Mehrfamilienhaus in Plettenberg verbaut werden, um „Mieterstrom“ zu erzeugen. Auch so ein Trendthema: Strom vom Hausdach, den der Vermieter und Investor günstiger als die Energieversorgungsunternehmen an die Mieter abgibt. Mindestens 1,5 Cent pro Kilowattstunde sollen Mieter sparen - nicht die Welt, aber ein Anfang. In Berlin haben die Stadtwerke und eine Wohnungsbaugesellschaft mit einer Hybridanlage in größerem Maßstab ein Pilotprojekt „Mieterstrom“ gestartet. Es wird also nicht nur im Sauerland geträumt.