Olpe. Aeham Ahmad ist ein begnadeter Musiker. Als Flüchtling kam er nach Olpe, wo er sich mit einem Konzert für seine Aufnahme in Deutschland bedankt.
- Der syrische Pianist Aeham Ahmad kam als Flüchtling nach Olpe
- Zufällig kam er an die dortige Musikschule und konnte wieder musizieren
- Inzwischen ist er ein gefragter Star mit vollem Terminkalender
Es gibt Themen, über die kann man nicht sprechen, noch nicht einmal im Interview mit der Zeitung. Was macht der Krieg mit einem Musiker? Aeham Ahmad springt auf, eilt zum Flügel im Konzertsaal der Musikschule Olpe und greift in die Tasten. Zuerst Beethoven, dann ein eigenes Lied. Es erzählt von einem Mann, der rennt und rennt und rennt. Der syrische Pianist Aeham Ahmad ist zwar in Sicherheit, aber die Gnade des Ankommens gibt es für Flüchtlinge nicht wirklich. Am 7. Mai bedankt Ahmad sich bei der Musikschule Olpe mit einem Konzert. Am Donnerstagabend war die Probe mit den Dozenten.
Das Dankeschön gilt einer Rettungsinsel, die ausgerechnet in Olpe plötzlich auftaucht. Am 1. Oktober 2015 trifft Aeham Ahmad in der dortigen Sporthalle ein, dem ersten neuen Zuhause nach der Flucht. Schnell lernt er den Weg zur Talsperre kennen, dort sitzt er jeden Tag und schaut auf das Wasser. "Ich bin Olper, ich kann alles über Olpe erzählen", erinnert er sich lachend an seine Streifzüge durch die Straßen der Stadt.
Ein Flötenspieler weist den Weg
Dann entdeckt der Pianist die Skultpur des Flötenspielers vor dem Alten Lyzeum. "Ich dachte, in diesem Haus muss was mit Musik sein, da gehöre ich hin, ich sollte hineingehen und fragen", erzählt er. Doch Ahmad, der Flüchtling, traut sich nicht. Tag für Tag sitzt er auf der Bank vor der Musikschule, lauscht den vereinzelten Tonleitern, die aus den Fenstern klingen, es sind Herbstferien, deshalb herrscht wenig Betrieb. Und dann gibt er sich endlich einen Ruck.
"Ich klopfte an einer Zimmertür, und eine blonde Dame sagte: Hallo, willkommen!" Das ist die Sekretärin Mechthild Volmer. "Ich sagte, ich spiele Klavier, ich war am Konservatorium. Sie fragte: Wo kommen Sie her: Ich sagte, von der Sporthalle, aber eigentlich aus Syrien." Mechthild Volmer schließt dem jungen Fremden ein Übezimmer auf. "Darf ich wiederkommen?" Er darf. Aeham Ahmad findet endlich seine Seele wieder, er spielt die Musik aus Jarmuk, jenem Stadtteil von Damaskus, in dem die exilierten Palästinenser wie sein Vater leben. Aeham Ahmad ist im siebten Himmel, bis er nach Münster verlegt wird.
"Ich frage mich immer, ob Musik die Welt besser machen kann. Alle Musiker wollen Frieden und Freiheit. Beethoven hat die Ideale der französischen Revolution unterstützt. Aber wir können den Krieg in Syrien nicht beenden, weil er kein Religionskrieg ist, sondern ein Geschäft. Beenden können ihn nur die Businessmen wie Assad."
Aeham Ahmad spielt im Kreishaus Olpe
Zusammen mit den Dozenten der Musikschule Olpe gibt der Pianist Aeham Ahmad am Sonntag, 7. Mai, ein Konzert im Großen Saal des Kreishauses Olpe – als Dankeschön für doe Hilfe, die er in Olpe erfahren hat. Das Programm schlägt Brücken zwischen Abend- und Morgenland. Die Matinee beginnt um 11 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Frau und Kinder sind in Sicherheit
Aeham Ahmad lebt in zwei Welten gleichzeitig. Er ist in Sicherheit, seine Frau und seine beiden kleinen Söhne inzwischen auch. "Auf der Flucht denkt man ständig: Jetzt ist es soweit. Jetzt sterbe ich. Ich hätte nie gedacht, dass ich ankomme, dass ich in meinem Leben wieder Musik machen kann, dass ich Journalisten Interviews gebe." Deutschland ist er unendlich dankbar, dass hier gilt, wofür Beethoven seine Revolutionsmusiken geschrieben hat: die Menschenrechte.
Auch interessant
Aeham Ahmad ist ein begnadeter Musiker. Deshalb ist sein Terminkalender mittlerweile voll. Anfangs hat er in Wiesbaden, wo er jetzt wohnt, Straßenmusik gemacht, demächst konzertiert er mit dem Orchester des Hessischen Rundfunks in Frankfurt. Kassel, Berlin, Hamburg stehen auf seinem Auftrittsplan. Und natürlich Olpe. Olpe wird er nie vergessen. Gleichzeitig schreibt er die Geschichte seiner Flucht auf, für den Fischer-Verlag. Zur Buchmesse erscheint der Band. "Das ist hart für meine Familie, weil ich nie Zuhause bin." Ein typischer Musikeralltag eben. Und Aeham Ahmad staunt immer noch darüber, dass es so gekommen ist. "In Jarmuk hatte ich gar nichts, und hier habe ich so viel."
Lieder vom Leid eines Volkes und vom Horror des Kriegs
Ahmad ist nicht nur Pianist und Sänger, er komponiert auch. Tiefe, berührende Melodien, die vom Leid eines Volkes erzählen, über das der Horror des Krieges hereingebrochen ist, und fröhliche, rhythmische Lieder für Kinder. Er ist in Sicherhet, aber seine Leute sterbe daheim durch Fassbomben und Giftgas. "Ich lebe seit anderthalb Jahren in Deutschland, ohne Krieg, aber der Krieg ist immer in meinem Kopf. Wir müssen alle für den Frieden eintreten."
Info: Als Übersetzer hat uns Najib El-Chartouni bei dem Interview begleitet. Die Eltern des jungen Siegeners kamen 1989 nach der Flucht aus dem Libanon nach Deutschland. Najib ist Musiker, steht regelmäßig im Hagener Lutz auf der Bühne und absolviert derzeit ein freiwilliges soziales Jahr in einer katholischen Einrichtung, bevor er an der Uni Siegen ein Studium aufnimmt.