Hagen. . Jäger beklagen, dass den Haltern von Hunden nach der Reform des Landesjagdgesetzes der Respekt fehlt. Meldungen über wildernde Hunde häufen sich.
- Hunde reißen im Frühjahr häufiger Wild in Südwestfalen
- Jäger klagen über mangelnden Respekt bei Hundehaltern
- Appell, Hunde im Wald an der Leine zu führen
Der Täter ist bekannt. Man hat ihn beobachtet, wie er immer wieder durch die Gegend streifte. Gestern morgen dann hat er im Wald bei Lennestadt-Grevenbrück zugeschlagen – und ein Reh gerissen. Das Opfer habe ein Kollege mit einem Gnadenschuss erlösen müssen, sagt Thomas Demmerling, Leiter des Hegeringes Bilstein. „Ein klagendes Reh zu schießen – das ist für einen Jäger schlimm“, weiß Demmerling. Der Täter aber ist auf und davon. Damit entgeht der eigentlich Schuldige seiner Strafe: der Halter. „Wir wissen nicht, wem dieser Hund gehört“, sagt Thomas Demmerling.
Verlockende Fährten
Meldungen über wildernde Hunde häufen sich derzeit. Erst in der vergangenen Woche musste in Hagen-Haspe ein Polizist ein Reh erschießen. Das Tier war von Hunden an den Hinterläufen schwer verletzt worden und hatte keine Überlebenschance. Wieder eine Woche zuvor war eine trächtige Ricke an der Glörtalstelle in Breckerfeld von Hunden getötet worden. „Das nimmt zu“, glaubt Thomas Demmerling.
Von einem „Schadenstrend“ will man beim Landesjagdverband NRW zwar nicht sprechen. Doch die Gelegenheit macht gerade im Frühjahr Wilddiebe: Die Rehe, die nun aus dem Wald herauskommen ins Grün, sind nach dem Winter ausgehungert und „schlecht konditioniert“, wie Andreas Schneider vom Jagverband erläutert. Die Ricken sind trächtig, können nicht schnell flüchten und springen. Leichte Beute für Hunde, die bei besserem Wetter von ihren Haltern ausgedehnt spazieren geführt werden. Da ist mancher eigentlich wohl erzogene Vierbeiner, der nicht angeleint auf eine verlockende Fährte stößt, auf und davon.
Respekt verloren
Zumal die verbotene Jagd für die Hunde ungefährlicher geworden ist: Mit der Reform des Landesjagdgesetzes sind die Voraussetzungen verschärft worden, unter denen der Abschuss von wildernden Hunden zulässig ist: Erlaubt ist dies nur noch, wenn der Hund auf frischer Tat erwischt wird und sich außerhalb des „Einwirkungsbereiches“ von Herrchen oder Frauchen befindet. So sind die Zahlen getöteter Hunde zurückgegangen von mehr als 70 im Jagdjahr 2012/13 auf 19 im Jagdjahr 2015/16 (Quelle: NRW-Umweltministerium).
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Wobei es für Jäger, die selbst meist Hundehalter sind, bereits vor der Gesetzesreform das „allerletzte Mittel“ gewesen sei, auf einen Hund zu schießen, betont Andreas Schneider. „Das wollen wir nicht“, sagt auch Thomas Demmerling ausdrücklich. Seit 45 Jahren ist er Jäger – und hat in dieser Zeit in seinem Hegering nicht einmal erlebt, dass ein Hund erlegt worden ist.
Wildernde Katzen
Doch offenbar hat mit der Gesetzesnovelle der Respekt von Hundehaltern vor den Jägern nachgelassen. Das beklagt zumindest Heinz-Hartmut Müller, Vorsitzender der Kreisjägerschaft Siegen-Wittgenstein. Hundehalter reagierten nicht mehr auf die Bitten von Jägern, ihre Hunde im Wald bei sich zu halten, ärgert er sich. „Die lassen die Hunde einfach laufen“, bestätigt Thomas Demmerling verärgert.
Nicht mehr aufregen wollen sich die Jäger dagegen über das Verbot, wildernde Hauskatzen zu schießen. Mehr als 10 000 erlegten die Jäger noch vor fünf Jahren. Wie man Singvögelbestände jetzt schützen könne, sei nach der Reform „kein jagdliches Thema“ mehr, heißt es beim Jagdverband lapidar.
Das eigentliche Problem der bedrohten Vogelarten seien nicht die streunenden Katzen, sondern die moderne Landwirtschaft, befürwortet man beim Naturschutzbund NRW (Nabu) das Jagdverbot. Dennoch plädiert man auch beim Nabu für die Kastration streunender Katzen, finanziert durch das Land. Und für ein Wildtiermanagement in Gebieten, in denen besonders bedrohte Arten wie der Kiebitz leben. „Dort muss es auch möglich sein“, sagt eine Nabu-Sprecherin, „Katzen zu schießen.“