Hagen/Nachrodt-Wiblingwerde. Für Gartenbesitzer sind sie “nur“ ärgerlich – aber für Landwirte richtig teuer: Wildschwein-Schäden. Der Landwirtschaftsverband schlägt Alarm.
Was für Gartenbesitzer mindestens ärgerlich ist, ist für Landwirte ein wirtschaftlicher Schaden: von Wildschweinen umgepflügte Wiesen. Der westfälisch-lippische Landwirtschaftsverband schlägt Alarm und sagt: Die Wildschweine werden zu uneffektiv bejagt. Deshalb steigt deren Population und damit nehmen die Schäden immer weiter zu.
Totalausfall auf einer Fläche von 35 Fußballfeldern
Günter Buttighoffer ist einer der betroffenen Landwirte. Er hat seinen Hof auf den Höhenzügen am Nordwestrand des Märkischen Sauerlands. In Eilerde. Eine Ortslage, die zur Doppelgemeinde Nachrodt-Wiblingwerde gehört. Ein paar Häuser, ein paar Höfe, eine Landstraße. Viel Umland. „Ein Eldorado für Wildschweine“ sagt Buttighoffer über die Landschaft.
Die Folgen belegt er mit nüchternen Zahlen. Er bewirtschaftet 107 Hektar mit seinem Milchviehbetrieb. „20 Hektar sind von Wildschweinen heimgesucht. Die Hälfte davon ist ein Totalausfall – eine Fläche von 35 Fußballfeldern“, ärgert sich der Landwirt: Auf den von den Schwarzkitteln umgepflügten Flächen, die die Grasnarbe zu unterst gekehrt haben, kann er keinen Grünschnitt vornehmen, um das Gras als Futter zu nutzen, denn das nasse Erdreich zwischen dem Grün ließe das Gras später in der Silage faulen. Und: Anders als Ackerflächen lässt sich Grünland nicht einfach glätten.
Womöglich ist der Klimawandel Schuld
In einem sind sich Landwirte und Jäger, die am Montag auf Einladung des Landwirtschaftsverbands bei Buttighoffer versammelt sitzen, einig: Die Zahl der Wildschweine sei zu stark gestiegen. Die Gründe dafür scheinen vielfältig zu sein.
„Sind das schon Folgen des Klimawandels?“, fragt etwa Harald Laus, Vorsitzender des örtlichen Jagdrings, und meint Eichen und Buchen, die viel häufiger viel mehr Früchte tragen als in früheren Jahren und die die Wildschweine nur zu gerne verspeisen. Und die sie anschli eßend auf Wiesen und Weiden auf der Suche nach tierischem Eiweiß treiben.
Neues Jagdgesetz: kürzere Jagdzeit – weniger Köder
Als Nahrungsergänzung suchen sie nach Würmern, Insektenlarven und auch kleinen Mäuse und wühlen dabei die Flächen um. Winter mit viel Schnee und klirrender Kälte gebe es weniger – die natürliche Auslese bei den Jungtieren fehle. Und schließlich Flächen, die Orkan Kyrill vor zehn Jahren niedergemäht hat und die sich die Vegetation zurückerobert. Mit robusten Pflanzen wie Brombeeren. „Die Sträucher sind mannshoch“, beschreibt Laus: Ein idealer Rückzugsort für Wildschweine.
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Also müssen die Jäger ran. Die Angesprochenen hadern allerdings mit dem neuen Landesjagdgesetz aus dem grünen Umweltministerium: Das hat die Jagdzeit um zwei Wochen verkürzt (1. August – 15. Januar) und die Menge an Lockmitteln, die ausgelegt werden dürfen, verringert.
Vorwurf: Die Jäger tun zu wenig
Hinter vorgehaltener Hand nennt ein Landwirt noch einen Grund: Die Jäger täten zu wenig, die Jägerschaft sei überaltert. Das NRW-Umweltministerium rät auf unsere Nachfrage zu einer „intensiven Bejagung der Frischlinge“ in „revierübergreifenden Bewegungsjagden“; das „ökologische Landesjagdgesetz“ sei jedenfalls nicht der Auslöser für die gestiegene Population. Landwirten wie Günter Buttighoffer nützt das wenig. Ein Patentrezept hat auch er nicht. „Aber es muss etwas unternommen werden“, sagt er mit Nachdruck.