Arnsberg. . Frank Neuhaus ist Vorsitzender des Landesverbands NRW im Deutschen Gerichtsvollzieherbund. Er sieht eine gestiegene Gewalt bei Schuldnern.

  • Gerichtsvollzieherbund für schärfere Strafen bei Gewalt gegen Amtsträger
  • Fälle von Beleidigungen und Bedrohungen zugenommen
  • Gerichtsvollzieher auch Zielscheibe von sogenannten Reichsbürgern

Der Bundesrat hat ­am Freitag dem Gesetzentwurf zur Strafverschärfung bei Gewalt gegen Polizisten, Feuerwehrleute, Rettungskräfte und Gerichtsvollzieher zugestimmt. Frank Neuhaus aus Arnsberg, Vorsitzender des Landesverbands NRW im Deutschen Gerichtsvollzieherbund, kann ein gestiegenes Gewaltpotenzial bei Schuldnern bestätigen.

Sind Gerichtsvollzieher zum Ablassventil von Gewalt und Aggressionen geworden?

Frank Neuhaus: Das kann man so sagen. Natürlich wusste man schon immer nie genau, was einen hinter der nächsten Tür erwartet. Aber die Reaktionen sind schon härter geworden. 2014 wurden in NRW 178 Fälle von Beleidigungen und Bedrohungen gegenüber Gerichtsvollziehern statistisch erfasst. 2015 nahm die Zahl um sieben Fälle ab. Im ersten Halbjahr 2016 - das ist die aktuell­ste uns vorliegende Statistik - waren es bereits 202.

Haben Sie eine Erklärung?

Hier spiegelt sich eine gesellschaftliche Entwicklung wider: Der Respekt hat abgenommen.

Frank Neuhaus ist Landesverbandsvorsitzender NRW des Deutschen Gerichtsvollzieherbundes.
Frank Neuhaus ist Landesverbandsvorsitzender NRW des Deutschen Gerichtsvollzieherbundes. © Privat

Der größte Teil der Schuldner verhält sich nach wie vor korrekt - aber es gibt mehr Ausreißer, und die Tonlage ist zunehmend verroht. Da brauchen Sie nur Lehrer zu fragen – oder Kräfte, die Leben retten wollen und dabei auch noch angegriffen werden. Unfassbar! Nehmen Sie Fußballspiele im Jugendbereich – da gewinnen Sie den Eindruck, dass für viele Eltern nur der Leistungsgedanke gilt und nicht der Spaß.

Wie gehen Sie persönlich mit Beleidigungen um?

Gerichtsvollzieher sind keine Mimosen. Jeder, der diesen Beruf ausübt, weiß, dass er als Überbringer schlechter Nachrichten nicht mit offenen Armen empfangen wird. Aber wenn die Beleidigung mit „A....“ fast schon zum Kosewort wird, läuft etwas schief.

Wie können Sie sich wehren?

Zunächst einmal: Wir sind nicht daran interessiert, bei jedem kleinen emotionalen Ausbruch die Polizei zu rufen – aber manchmal geht es nicht anders. Erst kürzlich habe ich bei einem Schuldner geklingelt, gegen den sogar ein Haftbefehl vorlag.

Gerichtsvollzieherbund fordert Fachhochschulausbildung

Der Verband fordert eine Erweiterung der Ausbildung hin zu einer Fachhochschulausbildung. Neuhaus: „Die Kompetenz muss erweitert werden, damit die Bürger sicher sein können, dass ihre Forderungen schnell und effektiv eingetrieben werden.“

Er wollte partout keine Vermögensauskunft geben und hat mir gedroht: Er hole Verstärkung, die in drei Minuten da sei. Kurzum: Die Polizei war in zwei Minuten da.

Begrüßen Sie härtere Strafen?

Ja. Man kann zwar Respekt nicht per Gesetz erzwingen, aber der Staat kann den Bürgern mit verschärften Sanktionen klar machen, was er von ihnen erwartet. Wir haben deshalb die Gesetzesinitiative der NRW-Landesregierung zur Erweiterung der Strafzumessung bei Straftaten gegenüber Amtsträgern begrüßt.

Erhalten Sie genügend Unterstützung von der Justiz?

Sie ist sensibilisiert. Das war nicht immer so. Angezeigte Delikte werden jetzt konsequent verfolgt.

Hat die Konfrontation mit den sogenannten Reichsbürgern zugenommen?

Unbedingt. Ich habe den Eindruck, dass viele auf den Zug aufspringen. Sie fordern von uns einen vom Deutschen Reich ausgestellten Beamtenausweis und schicken uns ellenlange Briefe, in denen sie begründen, warum sie das Grundgesetz ablehnen und Forderungen nicht erfüllen. Das Problem: Diese Schreiben müssen gelesen werden - das raubt uns die Zeit.

Werden Sie und Ihre Kollegen ausreichend auf schwierige Situationen vorbereitet?

Es sind von Ministeriumsseite Maßnahmen ergriffen worden. Fort- und Ausbildung sind verbessert worden. Früher zum Beispiel standen in der zweijährigen Ausbildung insgesamt acht Stunden zum Thema Sicherheit auf dem Programm. Inzwischen sind es immerhin mehr als 80 Stunden.