Hagen. . Mit „Hallo Nazi“ zeigt das Lutz Hagen ein Stück, das gegen vorgefasste Erwartungshaltungen anspielt. Wir stellen vor, was darin passiert.
Drei junge Männer. Die müssten doch ähnliche Interessen haben. Doch auf der Jungen Bühne Lutz des Theaters Hagen werden sie jetzt zu verfeindeten Vertretern der Gegenwartsgesellschaft mit ihren auseinanderdriftenden Positionen: der Flüchtling, der Nazi, der Polizist. Das Stück „Hallo Nazi“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz spiegelt die derzeitigen sozialen Zerreißproben in einem Kammerspiel, das in Hagen so dicht, packend und authentisch über die Bühne kommt, weil es von jungen Laiendarstellern gespielt wird, die ganz nah am Thema dran sind und sich mit Hingabe in ihre Rollen stürzen.
Heiße Eisen ohne Klischees
Jamal und Rudi müssen sich nach einer Schlägerei eine Zelle teilen. Dem Polizisten Klaus ist nicht wohl bei der Sache, aber der einzige andere abschließbare Raum auf der Wache wird von einem Betrunkenen blockiert, der sich ständig übergibt. Also sind der Flüchtling und der Nazi gezwungen, es eine Viertelstunde lang miteinander auszuhalten. Rudi und seine Freunde haben einen Brandsatz durch die Scheiben des Imbisses geworfen, in dem Jamal bei einem älteren Asylsuchenden arbeitet.
Nazi und Flüchtling in einer Zelle
Lutz Hübner, der Pate des Hagener Lutz’, und Sarah Nemitz schreiben die besten Jugendtheaterstücke, weil sie immer heiße Eisen aufgreifen, aber niemals Klischees bedienen. Auch in „Hallo Nazi“ geht es um die Zwischentöne und nicht um Schuldzuweisungen. Deshalb beginnt das Stück mit einer kleinen-Theater-im-Theater-Situation, in der sich die drei Darsteller selbst ihre Rollen geben. „Wir sind zwei Ausländer und ein Deutscher, brauchen aber zwei Deutsche und einen Ausländer.“ Alle wollen den Nazi spielen. Nicht der blonde Fynn Engelkes kriegt den Job, sondern Mark Tumba, der schlanke Student, der auf Sansibar geboren wurde. Und nun muss das Publikum erst einmal schlucken, dass nicht die Haut- oder die Haarfarbe einen zum Flüchtling oder zum Nazi stempeln, sondern die Umstände und vor allem, was man daraus macht.
Ein Stahlkäfig
Bühnenbildner Jeremias H. Vondrlik siedelt die Geschichte in einem Stahlkäfig an, der ein Gefängnis assoziiert und dazu eine Art Versuchsanordnung möglich macht, in der sich niemand verstecken kann. Regisseur Werner Hahn lässt mit kluger Beobachtungsgabe den Charakteren viel Atem, damit sie sich entfalten können und vermeidet allzu schlichte Erklärungen. „Unsere Haltungen werden immer extremer“, so begründet Werner Hahn, warum er „Hallo Nazi“ auf den Spielplan gesetzt hat. „Und ich finde, dass Theater ein sehr gutes Mittel ist, unsere ganz individuellen Standpunkte auf den Prüfstand zu stellen.“
Najib El-Chartouni spielt den Jamal mit nach vorne hängenden Schultern, ein junger Mann, der auf die harte Tour gelernt hat, dass man sich manchmal besser duckt, selbst wenn man im Recht ist. Jamal ist immer noch auf der Flucht, auch in Deutschland. Fynn Engelkes ist als Polizist Klaus noch gar nicht in seine viel zu weiten Uniformhosen hineingewachsen, als Sinnbild dafür, dass ihn die Sache überfordert. Er will korrekt handeln, ist aber in das soziale System eingebunden, das Rudi und seine Nazibande hervorgebracht hat.
Ein paar Sekunden für Träume
Mark Tumbas Rudi tritt auf, als gehöre ihm die Welt. Er ist so aggressiv wie eine Stahlklinge, er kann keine Autorität akzeptieren, er provoziert und beleidigt, lässt es aber dennoch in der Schwebe, ob sein Verhalten auf Dummheit oder Unsicherheit beruht.
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Die Handlung dreht sich, als das verletzte Opfer, der Imbissbudenbesitzer, stirbt. Jetzt wird aus einem Anschlag, der in einem bestimmten Umfeld als Dumme-Jungen-Streich durchgehen könnte, Mord. Jetzt muss auch der Mitläufer Rudi mit einer Haftstrafe rechnen.
Es gibt einen winzigen Moment, in dem Jamal und Rudi einander wirklich zuhören, sich als Individuen begreifen. In diesem Augenblick entdecken beide, dass sie gerne am Computer spielen und träumen ein paar Sekunden lang davon, als Profigamer Karriere zu machen. Dann stellt sich heraus, dass nicht die Flüchtlinge Rudis Problem sind. Die Nazibande will, dass er, der einzige Minderjährige der Gruppe, den Mord auf sich nimmt.
Die Premiere am Samstag, 18. Februar, ist bereits ausverkauft. Weitere Termine und Karten: www.theaterhagen.de