Plettenberg/Winterberg. Automobilzulieferer lässt Belegschaft aus Portugal für Wochenendschicht in Sauerland-Werk einfliegen. Gewerkschaft kritisiert: “völlig unakzeptabel“.
Mit scharfer Kritik haben die IG Metall-Zentralen in Düsseldorf und Frankfurt am Montag auf das Vorgehen des Dura-Konzerns reagiert, der am Freitag 280 Mitarbeiter aus Portugal eingeflogen hatte, die im sauerländischen Plettenberg die Wochenendschichten im Werk Leisten & Blenden übernehmen sollten. „Das Vorgehen ist völlig unakzeptabel“ hieß es in Frankfurt. „Dass eine ganze Belegschaft eingeflogen wird, habe ich noch nicht erlebt“, ordnete Carsten Schuld, Justiziar der IGM-NRW, das Vorgehen als beispiellos ein. Für das NRW-Wirtschaftsministerium ist der Dura-Deal eine „unternehmensinterne Entscheidung“ – die aber offenbar genau in Düsseldorf beobachtet wird.
„Ziemlich kalt“ im Vergleich zu Portugal sei es im Sauerland: Die Einschätzung eines Dura-Mitarbeiters aus dem Südwesten Europas über das Wetter in Winterberg trifft wohl auch das Verhältnis zwischen Geschäftsführung des US-amerikanischen Konzerns und den Arbeitnehmern und dem Betriebsrat in Plettenberg: Es ist über die Monate des zähen Ringens, das bisher zu keinem Ergebnis über die Zukunft von 900 Arbeitsplätzen geführt hat, eisig geworden. Gegenseitige Vorwürfe kennzeichnen die Auseinandersetzung, die im Ton immer rauer wird.
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Mehr als über das Wetter konnte diese Zeitung übrigens nicht mit einem der Dura-Mitarbeiter, der zu den 280 am Freitag aus Portugal eingeflogenen Beschäftigten gehört, reden: Sobald es auf die Firma zu sprechen kam, bekam der Gefragte von einem Kollegen einen Maulkorb verpasst. Keine Auskunft, kein Kommentar. Dabei wirft die nach Gewerkschaftsangaben beispiellose Aktion, eine ganze Belegschaft zu ersetzen, viele Fragen auf. Wir haben Antworten:
Wo sind die 280 Beschäftigten aus Portugal untergebracht?
Nach unseren Informationen ist die Gruppe, zu der auch etliche Mitarbeiterinnen gehören, etwa je zur Hälfte im Dorint-Hotel in Winterberg-Neuastenberg und im Hotel Sauerland-Stern in Willingen, also im hessischen Teil des Sauerlands (Upland) untergebracht – und damit rund 65 bzw. 80 Kilometer von der Betriebsstätte entfernt. Der Transfer zu den Arbeitsplätzen erfolgt per Bus; die Fahrtzeit beträgt demnach – grob geschätzt – jeweils für eine Fahrt mindestens eineinhalb Stunden. Die „gesamte Logistik ist vom Unternehmen organisiert“, erklärte ein Dura-Sprecher.
Was kostet Dura die Aktion?
Dazu mochte sich das Unternehmen gestern auf unsere Nachfrage nicht äußern. Nur soviel: Die Erfüllung „dringender Kundenaufträge“, so ein Sprecher, stehe im Vordergrund. Alleine die Unterbringung der 280 Beschäftigten aus Portugal in Doppelzimmern – die Zimmer sind nach unseren Informationen zunächst bis zum 17. Oktober gebucht – dürfte allerdings, konservativ gerechnet, mit mindestens 50.000 Euro zu Buche schlagen. Die Kosten für Bustransfers zum Arbeitsplatz und die Flüge kommen noch oben drauf. Wie diese Zeitung weiter erfuhr, ist der Einsatz der portugiesischen Mitarbeiter intern sogar auf „unbestimmte Zeit“ vorgesehen. Soll heißen: Eine Verlängerung über den kommenden Montag (17. Oktober) ist nicht unwahrscheinlich. So könnte schnell eine sechsstellige Summe zusammenkommen. Die IG Metall Märkischer Kreis hat eine klare Haltung dazu; sie wirft die Frage auf, ob „ein Unternehmen, das immer noch im Begriff steht, einen Großteil der Belegschaft entlassen zu wollen, in dieser Form Geld verschwenden sollte.“
Lohnt sich für den Dura-Konzern dieser Aufwand?
Das lässt sich nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantworten. Das Einfliegen von Mitarbeitern ins Sauerland lag wohl als Notfallplan schon seit längerem in der Schublade der Geschäftsführung. Der Hintergrund: Dura will damit Vertragsstrafen verhindern, die drohen, wenn die Lieferverträge mit ihren Kunden nicht eingehalten werden, wenn also das Werk Leisten und Blenden für die Automobilproduktion (Türeinstiege, Kühler) von VW, Mercedes und BMW nicht die vereinbarten Stückzahlen geliefert werden und die dort die Bänder zum Stillstand kommen. Diese Strafzahlungen zu umgehen, hat wohl höchste Priorität. Der Notfallplan ist jetzt umgesetzt worden, weil ohne eine Wochenendproduktion die Verträge nicht mehr einzuhalten gewesen wären.
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Wie oft kommen die Eingeflogenen überhaupt zum Einsatz?
Bisher haben die Portugiesen am Samstag von etwa 8 Uhr bis in den Nachmittag gearbeitet. Für den Sonntag hat die Bezirksregierung Arnsberg keine Erlaubnis zur Sonntagsarbeit erteilt; der „ablehnende Bescheid trägt das Datum 7. Oktober 2016“, bestätigte ein Sprecher der Bezirksregierung auf unsere Nachfrage. Am gestrigen Montag sind die Portugiesen noch einmal von exakt 0.01 bis 5 Uhr im Plettenberger Werk an den Bändern im Einsatz gewesen. Gestern Mittag waren die Portugiesen in Neuastenberg in kleinen Gruppen unterwegs, erkundeten den Ort. Einige haben im Gasthof zur Post zu Mittag gegessen. Mindestens auch am Wochenende sollen sie wieder die Bänder in Plettenberg am Laufen halten. Bis dahin können sie wohl das Sauerland genießen – auch wenns dort sehr viel kälter ist, als in Portugal.