Hagen. . Chinesische Überkapazitäten belasten den deutschen Markt. Druck auf die Preise nimmt zu. Südwestfalens Stahlverarbeiter bleiben aber gelassen.

In der Stahlindustrie rumort es, wenn auch für Außenstehende nahezu unhörbar. Wieder einmal geht es um gewaltige Überkapazitäten von außen, die auf die Preise drücken und wieder einmal geht es um China. Und erneut machen erste Gerüchte um die Schließung von Stahlwerken die Runde. Alles schon einmal dagewesen. Gelassen dagegen gehen die Stahlverarbeiter in Südwestfalen damit um.

Immer mehr Importware

Neben Stahl aus deutscher Herstellung drängt immer mehr Importware aus Fernost auf den Markt – zu Lasten deutscher Hersteller. Ihr Problem: Nachfrage und Absatz stimmen, die Produktionszahlen in Deutschland weisen wieder nach oben, aber die erzielbaren Preise nicht. „In China gibt es Überkapazitäten im Umfang von 300 Millionen Tonnen. Das ist das Doppelte dessen, was wir in Europa verwenden“, sagte Hans-Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, in einem Interview. China habe im vergangenen Jahr mehr als 90 Millionen Tonnen exportiert. Das belaste auch den deutschen Markt.

Über die Preise, die seit etwa zwei Jahren auf Talfahrt sind, hüllen sich Erzeuger und Händler traditionell in Schweigen. Auf Anfrage wollte sich auch Eric Walner, Sprecher von Thyssen-Krupp Steel in Duisburg nicht zu aktuellen Marktpreisen bei Stahl äußern. Aus Branchenkreisen verlautet aber, dass derzeit eine Tonne Warmbandstahl – Schlüsselprodukt für die weiterverarbeitende Industrie- in den USA rund 450 Dollar kostet, vor einem Jahr waren es noch 200 Dollar mehr. In Europa werden den Angaben zufolge knapp 400 Euro dafür bezahlt.

China ist mit Abstand größter Stahlproduzent der Welt, aber im Inland geht wegen des abflachenden Baubooms der Verbrauch zurück. So kommen die Mengen nach Europa. „China hat mit unserer Hilfe sehr moderne Kapazitäten aufgebaut, die alten Anlagen entgegen den Versprechungen aber nicht stillgelegt“, erklärt Thomas Isajiw, Sprecher des Anlagenbauers SMS mit Stammsitz Hilchenbach. Kein Wunder: „Abgeschriebene Stahlwerke produzieren nur Gewinn.“ 2014 sind die Importe aus China nach Europa um 50 Prozent gestiegen, ergänzt Kerkhoff. Für das laufende Jahr erwarte die Wirtschaftsvereinigung Stahl einen weiteren Anstieg um gut 30 Prozent.

„Wir beziehen unseren Stahl für Europa momentan ausschließlich aus Europa“, sagt Uwe Hadwich, Einkaufsdirektor des Autozulieferers Kirchhoff Automotive in Attendorn. Auswirkungen der Stahl-Preise auf das Unternehmen sehe er nicht. Zur Überraschung aller hätten die Preise in diesem Jahr noch einmal nachgegeben, die Auslastung der Stahlwerke in Deutschland sei aber wegen der starken Auto-Nachfrage gut. „Viel Luft nach unten ist aber nicht mehr.“

Andere Qualitäten

Das bestätigt Thomas Jörg Hüttenhein, Geschäftsführer der Gesenkschmiede Schöttler in Hagen, die rund 3000 Tonnen Rohstahl im Jahr verarbeitet: „Die Stahl-Qualitäten, die aus China kommen, sind nicht die Qualitäten, die die Autoindustrie braucht.“ Hüttenhein zufolge sind die Stahlpreise auf dem Händlermarkt unter Druck, aber was die weiterreichten, seien Nullrunden oder Abschläge von unter 20 Prozent. „Ich warte schon darauf, dass die ersten Kunden mich fragen: Wann werden denn eure Produkte billiger?“

Wenig Probleme sieht auch Rainer Lehne, kaufmännischer Leiter beim Hagener Schneidebetrieb Stahlkontor. Das Unternehmen schneidet Stahlplatten mit Hilfe eines speziellen Laser-Wasserstrahl-Verfahrens, die Teile kommen dann in der Luft- und Raumfahrtindustrie und bei der Panzerung schwerer Limousinen zum Einsatz. „Die Kunden beauftragen uns, das Material zu besorgen und zu bearbeiten, und wir leiten den Preis an die Kunden weiter“, beschreibt Lehne das Verfahren. Das berge wenig Risiken, zumal die Lagerhaltung sehr klein sei.

Sehr realistisch beschreibt Jens Kubitz, Prokurist bei Kubitz Maschinenbau und Schmiedetechnik die Lage: „Wir merken davon nichts. Die Preise, die uns die Stahlhändler machen, sind konstant geblieben. Dadurch haben wir nicht mehr Aufträge gewonnen.“