Hagen. . Die Junge Bühne Lutz in Hagen ist eine Talentschmiede. Das beweist sie wieder mit der jüngsten Produktion. Schulklassen können kostenlos ins Theater.
Die Hagener Junge Bühne Lutz hat Scout-Funktion in der NRW-Theaterlandschaft. Immer wieder werden hier neue Begabungen entdeckt. Die Uraufführung von „Prinz Sternschnuppe“ bringt jetzt gleich zwei Talente zusammen: die Dramatikerin Lisa Sommerfeldt und die Hagener Regisseurin Miriam Michel.
Märchen über Mut und Traurigkeit
„Prinz Sternschnuppe“ ist ein Stück über Rollenzuweisungen. Der Prinz trägt gerne Kleider. Darüber regen sich seine Eltern so auf, dass sie zum letzten Mittel greifen: Der Überflieger muss ran. Er soll den königlichen Nachwuchs einnorden. Und schon gar nicht trauen sie ihrem Sohn zu, dass er es mit dem hungrigen Drachen aufnimmt, der den Planeten fressen will. Auf der Suche nach den rettenden rosa Beeren im Verbotenen Garten trifft der Prinz eine Prinzessin, die am liebsten in Hosen herumläuft. Darüber regen sich deren Eltern furchtbar auf…
Lisa Sommerfeldt hat damit ein Entwicklungsmärchen über Mut und Traurigkeit, Rebellion und Neugier geschrieben. Miriam Michel und Bühnenbildnerin Krista Burger setzen die Handlung als ein Abenteuer über die Entstehung von Bildern um. Denn das Publikum erhält keine fertigen visuellen Interpretationen vorgesetzt. Die Bühne ist völlig offen, die drei Darsteller verwandeln sich mit minimalen Handgriffen in ihre jeweiligen Rollen. Puppen und Overhead-Projektionen von Zeichnungen entführen vom Schloss ins Weltall und zur Guten Fee an den See.
Dieses Regiekonzept ist ein spannender Gegenentwurf zu den heutigen digitalisierten perfekten Bilderwelten. Die immer gleichen Retorten-Bilder normieren die Phantasie in den Kinder- und Jugendzimmern rund um den Globus, sie nehmen den Jungen und Mädchen die Arbeit ab, eigene Wahrnehmungen zu erfinden.
In „Prinz Sternschnuppe“ dagegen sind Drache, Schnecke und Chamäleon gezeichnet und bewegen sich ganz offensichtlich durch den Projektor. Der Vogel flattert an der Stange, und das Seepferdchen schwimmt sogar an einer Badezimmerflitsche. Trotz oder besser gerade wegen der bewussten Offenheit des Spiels funktioniert die Magie dieser Bilder. Im Handumdrehen wird die blaue Plastiktüte zum geheimnisvollen Gewässer, und zwei glitzernde Kopfhörer machen zusammen mit der entsprechenden Musik den Prinzen zum Astronauten in seiner Cabrio-Rakete.
Der Zuschauer wird unmittelbar in die Geschichte hineingezogen, erkennt aber gleichzeitig auch, wie Bilder überhaupt entstehen. Das ist eine faszinierende Idee der sehr begabten jungen Regisseurin Miriam Michel, die sich nicht an die aktuellen Trends der jungen Szene anbiedert, wie Jugendtheater das so oft irrtümlich tut, sondern der Macht des Spiels vertraut.
Drei großartige Darsteller
Unterstützt wird diese Wirkung durch die Ebene der Sprache. Die drei großartigen Darsteller sind bewährte Künstler des Hagener Lutz. In „Prinz Sternschnuppe“ müssen sie sehr viele Figuren verkörpern. Die unterscheiden und charakterisieren sie durch Stimmlage und Akzent. Charis Nass ist eine regelrechte Virtuosin, wenn es darum geht, den Doppelkopfkönig und seine Königin, den Busch und die Meeresblume unverwechselbar zu machen. Umwerfend witzig ist ihr Drache mit der Schnodderschnauze und natürlich Mies van der Macher, der verhinderte Star mit dem unordentlichen Haar.
Sindy Tscherrig ist wagemutige Prinzessin und geldgieriger Überflieger zugleich – letzterer pumpt im breitesten Schweizerdeutsch die Muskeln auf. Und der aus Siegen stammende Sebastian Kolb zeigt als Prinz Sternschnuppe, dass Jungen auch dann Helden sind, wenn sie mal weinen oder die Ausdauer verlieren. Wie vielseitig die Schauspieler des Lutz sind, beweist Sebastian Kolb ab Juni dann beim Elspe-Festival. In „Der Schatz im Silbersee“ spielt er den Indianer „Kleiner Bär“.
Das Stück ist im Programm der Aktion „Jeder Schüler ins theater“ des Hagener Theaterfördervereins. Klassen können kostenlos in eine Aufführung gehen. Termine und Kontakt: www.theaterhagen.de