Hagen. Zwei Großmeister der Komödie: Die Sänger Rainer Zaun und Richard van Gemert vom Theater Hagen erklären, wie Humor auf der Bühne funktioniert.
Der Opernsänger rührt sein Publikum gerne zu Tränen, wenn es um tragische Liebe und Verlust geht. Doch Weinen geht leicht. Das Lachen hingegen ist eine ungleich schwierigere Kunst. Viele Faktoren von Körperaktion bis Schlagfertigkeit müssen auf die Sekunde genau zusammen spielen, damit Komik entstehen kann. Am Theater Hagen sind Bassbariton Rainer Zaun und Tenor Richard van Gemert die Großmeister der Komödie. Im Interview verraten sie, warum der Witz ernst genommen werden will, damit er funktioniert.
Frage: Was ist komisch auf der Bühne? Männer in Röcken?
Rainer Zaun: Geschlechtertausch funktioniert immer wieder, das ist der „Charleys-Tante“-Effekt. Das Publikum lacht, wenn jemandem etwas passiert, was man selber nicht erleben möchte: die Torte im Gesicht, die Tür vor dem Kopf.
Richard van Gemert: Aber das muss man hart erarbeiten. Als Komiker muss man mit dem ganzen Körper eine extreme Spannung halten; die Szenen, auch wenn sie noch so kurz sind, müssen jedes Mal gleich und auf den Punkt kommen.
Wenn Freddie Frinton in „Dinner for One“ exakt elfmal über den Kopf des Tigerfells stolpert und beim zwölften Mal nicht, dann gibt es kein Halten mehr.
Van Gemert: Genau, das sind diese winzigen, entscheidenden Momente. Nehmen Sie die Musicalkomödie „Die spinnen, die Römer“, die derzeit am Theater Hagen läuft. Dort habe ich in meiner Rolle als Haussklave auch eine Stolperfalle eingebaut. Für das Publikum muss diese kleine Szene ganz beiläufig aussehen, aber der Darsteller muss das lange üben und mit hoher Konzentration bei der Sache sein. Es ist sehr, sehr anstrengend, eine komische Rolle zu bedienen.
Zaun: Was der Zuschauer nur einmal und wie nebenbei sieht, das probt man zehnmal hintereinander und öfter. Das Lachen ist mit Schweiß und Schmerz und blauen Flecken erkauft, aber das dürfen die Besucher nicht sehen.
Stichwort „blaue Flecken“: Steckt in jedem Lachen eine Träne?
Van Gemert: Komisch wird es nur, wenn man in der Rolle ehrlich bleibt. Wenn man sagt: Jetzt ziehe ich mal ein Kleidchen an, wird es lediglich albern. Das spüren die Leute sofort.
Zaun: Was auf den Zuschauer komisch wirkt, sind tatsächlich überhöhte Alltagssituationen. Für die Figur, der das gerade passiert, ist die Situation aber gar nicht komisch, für die ist die Sache tragisch, tiefernst, es geht um existenzielle Fragen. Da das Publikum einen Wissensvorsprung hat, also zum Beispiel weiß, dass bei „Die spinnen, die Römer“ im Brautkleid ein Mann steckt, was der Hauptmann auf Freiersfüßen nicht ahnt, wirkt es komisch, wenn er die falsche Braut verführen will.
Wo finden Sie die Vorbilder für Ihre Gestaltung komischer Rollen?
Van Gemert: Wir nehmen ganz viel aus dem alltäglichen Leben, aus tausend verrückten Situationen, die wir auf der Straße beobachten.
Zaun: Man geht mit offenen Augen durch die Stadt, sieht, wie sich die Leute verhalten und kann solche Charaktere dann aus dem eigenen Erfahrungsschatz heraus kreieren.
Was sollte man als Darsteller in einer Komödie vermeiden?
Zaun: Man darf auf keinen Fall rausgehen und sagen: Jetzt bin ich aber komisch.
Van Gemert: Das geht nach hinten los.
"Ich fühle mich wie ein römischer Gladiator für Hagen"
Und was passiert, wenn das Publikum nicht lacht?
Van Gemert: Man muss die Besucher dazu verführen, sich auf die Geschichte einzulassen. Wenn der Lappen hochgeht, muss man das Publikum an die Hand nehmen. Zaun: Es funktioniert nicht, wenn wir eine Komödie nur über den Text erzählen, wir brauchen dazu den Körper, das Spiel.
Manchmal ist die Komik nicht beabsichtigt. Haben Sie Lieblings-Pannen?
Zaun: Missgeschicke passieren meistens in ernsten Situationen, in Tragödien. Da sind wir wieder bei dem Grundprinzip, dass das Publikum Situationen komisch findet, in denen es einen Wissensvorsprung hat, während es für den Protagonisten auf der Bühne um Leben und Tod geht. Das gilt natürlich auch für uns selber. In „Carmen“ zum Beispiel wird mir die Kehle durchgeschnitten, während ich sitze. Und in einer Aufführung bricht unter mir der Stuhl zusammen…
Van Gemert: Ich habe mich weggeschmissen. Ich habe gedacht: Was spielt der Rainer denn jetzt schon wieder für eine Rolle. Und dann lag er da.
Opernsänger bringt man ja normalerweise mit ausgeprägtem Humor nicht unbedingt in Verbindung?
Zaun: Das liegt daran, dass man Opernsängern lange Zeit kein bewegliches Agieren zugetraut hat. Fakt ist, dass wir am Theater Hagen sehr vielseitig sein müssen und alle Fächer bedienen, auch die komischen. Das macht großen Spaß. Heutzutage sollten ohnehin alle Opernsänger spielen können. Aber für das komische Fach, das Buffofach, da muss man zusätzlich noch ein besonderes Talent haben. Und das ist angeboren.
Van Gemert: Mir macht es viel Freude zu singen, wo ich gebraucht werde. Große Rollen, kleine Rollen. Und mir macht es vor allem Freude, aus kleinen Rollen etwas Besonderes zu kreieren. Ich fühle mich wie ein römischer Gladiator für Hagen, ich versuche, den Leuten das Leben durch meine Arbeit angenehm zu machen. Und ich freue mich immer, wenn mich das Publikum auf der Straße erkennt.
Zaun: Letzten Endes nehmen wir vor allem unseren Beruf ernst. Dass muss man auch, um komische Rollen spielen zu können. Wir zeigen dem Publikum die schönen Seiten des Lebens, wir sind ein Gegengewicht zu den Katastrophen auf dieser Welt. Und gleichzeitig halten wir der Gesellschaft einen Spiegel vor.
Worüber lachen Sie?
Zaun: Ich lache über den Richard. Der haut immer gerne so eine unerwartete Antwort raus.
Van Gemert: Und ich lache über den Rainer, denn wenn er was sagt, sagt er es mit Kopf und Herz.