Bottrop. Muttertag: Mama ist die Beste. Der Papa darf nichts machen. Das ist für die ganze Familie herausfordernd. Eine Eltern-Trainerin nennt Auswege.

„Papa nicht!“, sagt Pia und haut auf die Hand des Vaters, als er der Zweijährigen die Windel wechseln will. „Mama soll!“ Mama soll die Windel wechseln, Mama soll sie ins Bett bringen, Mama soll sie beim Abendessen auf den Schoß nehmen. „Papa doof!“

Kleine Kinder bevorzugen schon mal ein Elternteil – und stoßen den anderen weg. Für den vermeintlich abgelehnten Elternteil ist das nicht leicht, von dem kleinen geliebten Menschen zurückgewiesen zu werden. Und für den begehrten Elternteil ist es herausfordernd, alles machen zu müssen, kaum eine ruhige Minute für sich zu haben. Uta Allgaier, die ursprünglich aus Bottrop kommt, kennt dieses Phänomen aus ihrem Eltern-Coaching. Sie erklärt, was womöglich hinter diesem Verhalten steckt – und nennt Auswege.

„Eltern bestimmen, wie das Frühstück abläuft“, sagt Elterntrainerin Uta Allgaier. Und nicht die Kinder sagen, wer wo beim Frühstück sitzt. Für Kinder sei diese Klarheit wichtig.
„Eltern bestimmen, wie das Frühstück abläuft“, sagt Elterntrainerin Uta Allgaier. Und nicht die Kinder sagen, wer wo beim Frühstück sitzt. Für Kinder sei diese Klarheit wichtig. © WAZ | Zillessen/Glüer

Pias Vater macht das Verhalten seiner Tochter traurig. Warum mag sie ihn nicht mehr? Er fängt an, die Wohnung aufzuräumen, Lebensmittel einzukaufen, die Gummistiefel zu putzen. So fühlt er sich nützlich innerhalb der Familie. Doch die Nähe zu seiner Tochter sucht er nicht mehr so oft. Er zieht sich zurück. „Damit gibt man dem Kind eine unglaubliche Macht“, warnt Uta Allgaier. „Eine Macht, die es gar nicht tragen kann.“ Dem Vater empfiehlt sie, sich mit der Partnerin zusammenzusetzen und zu überlegen: Wie wollen wir den Alltag organisieren? Wer bringt wann Pia ins Bett? Wer übernimmt welche Aufgaben? „Das bestimmen die Eltern“, betont Uta Allgaier. Sie übernehmen die Führung und nicht Pia.

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Uta Allgaier hat mal eine Familie beraten, in der der dreijährige Sohn jeden Morgen bestimmt hat, wer wo am Frühstückstisch sitzt. „Darauf würde ich mich nicht einlassen. Die Eltern bestimmen, wie das Frühstück abläuft“, sagt die 59-Jährige. Diese Klarheit sei wichtig für Kinder. Eltern regeln, wie der Tag abläuft, wer das Kind zu Bett bringt. „Das Kind braucht diese Sicherheit.“

Freunde von Pias Vater raten ihm, die Ablehnung nicht persönlich zu nehmen. Doch er denkt: „Wie soll ich es sonst nehmen, wenn nicht persönlich?“ Auch wenn es schwerfällt, Uta Allgaier empfiehlt ebenfalls, das Gefühl der Ablehnung nicht zu groß werden zu lassen. „Es ist wichtig, sich klar zu machen, dass das nichts damit zu tun hat, ob das Kind einen noch liebt.“ Schließlich weiß so ein kleines Kind ja noch gar nicht, dass das eigene Verhalten den Vater verletzt. Es möchte vielleicht nur ganz nahe bei der ersten Bezugsperson sein. Und freut sich, wenn der Papa diese Traurigkeit versteht und sie tröstend in den Arm nimmt.

Nur Mama soll und darf: Pia hat andere Pläne als Mama und Papa

„Mama Arm!“ Die Mama möchte aber das Kind gerade nicht hochheben, sie möchte sich im Bad frisch machen. „Pia mit!“, fordert die Kleine. „Du kannst mit Papa spielen!“, sagt die Mama freundlich, schließlich ist der Vater gerade von der Arbeit zurück und hat nun noch eine Stunde Zeit, bevor es Abendessen gibt. Doch Pia weint: „Pia mit!“ Die Mutter war die letzten drei Stunden an ihrer Seite. Das soll auch so bleiben, findet Pia.

Uta Allgaier empfiehlt, dass Pias Mutter sich abends auch mal richtig herauszieht. Vielleicht eine Runde um den Block läuft. „Oder sich mit einer Freundin trifft, wenn der Partner das Kind ins Bett bringt.“ Die Mutter kann mal durchatmen. Und auch für den Partner wird es leichter, da es keine Konkurrenzsituation mehr gibt. Also: Regelmäßig exklusive Elternteil-Zeiten einplanen! „Dann wird sich das Kind schnell wieder auf den Papa einlassen.“

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Es ist also auch eine Frage der gemeinsam verbrachten Zeit, warum ein Kind einen Elternteil bevorzugt. Und der ungeteilten Aufmerksamkeit. „Unsere Aufmerksamkeit ist heute sowieso immer sehr geteilt“, sagt Uta Allgaier. Dann wird das Spiel unterbrochen, um auf das Smartphone zu schauen. Doch es seien Zeiten wichtig, in denen man dem Kind wirklich zu 100 Prozent die Aufmerksamkeit schenkt. Und Zeiten, in denen Mama oder Papa sich um etwas anderes oder um sich kümmern müssen. Schon ein kleines Kind, das sehr klammert und nur auf dem Schoß der Mama sitzen möchte, kann man auch mal vor sich auf den Boden setzen. „Es ist wichtig, dass Kinder von klein auf lernen, dass es diese Klarheit gibt: Jetzt bin ich wirklich für dich da. Und jetzt ist diese Zeit zu Ende.“

Kinder bevorzugen immer mal wieder ein Elternteil. „Papa, nicht weggehen!“
Kinder bevorzugen immer mal wieder ein Elternteil. „Papa, nicht weggehen!“ © Shutterstock / Lomb | Lomb

Das sei auch eine Chance für die Entwicklung. So lernten kleine Kinder, aus sich selbst zu schöpfen, kleine Unsicherheiten selbst zu managen und auch, mal einen Moment unabhängig von Mama oder Papa zu sein. Uta Allgaier: „Es gibt heute Kinder, die von ihrer ersten kleinen Reise in der Grundschule abgemeldet werden, weil Mama nicht neben ihnen ist, wenn sie einschlafen.“ Es sei völlig in Ordnung, das Kind ein bisschen und behutsam von ständiger Nähe zu entwöhnen. Für Eltern sei es ein Augenöffner, wenn sie ihnen erkläre, dass es auch eine Kompetenz sei, wenn ein Kleinkind zwar Mama und Papa nebenan im Zimmer hört, aber selbst noch wach im Bett liegt und diese Schlafsituation trotzdem meistert.

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Während ihrer Beratungen erlebt Uta Allgaier auch, dass Eltern zwar sagen, dass sie die Aufgaben mit dem Kind gerecht aufteilen möchten. Aber in der Praxis sieht es dann doch so aus, dass manche Mütter nicht loslassen wollen. Vordergründig hieße es dann: „Mein Mann und ich haben uns das aufgeteilt. Aber unser Kind ist da anderer Meinung, wir bekommen das nicht durchgesetzt“, so Uta Allgaier. Gehe man der Sache jedoch auf den Grund, stelle man fest, dass manche Frauen trotzdem denken: „Mein Mann macht es nicht richtig.“ Dann darf der Papa zwar das Kind ins Bett bringen, aber er soll es bitte genau so machen, wie man es selbst in Ratgebern gelesen hat und für richtig hält. Kinder würden so etwas spüren. „Schon die ganz Kleinen haben wirklich feine Antennen dafür.“ Mütter und Väter sollten sich gegenseitig erlauben, eine eigene Beziehung zu dem Kind aufzubauen. „Das Kind möchte ja mit dem Menschen zusammen sein – und der gestaltet dieses Zusammensein auf seine ganz eigene Art.“

Das Kind lehnt Papa ab: Vielleicht möchte es gerade Mama-Nähe tanken

Und dann auch mal fünf gerade sein lassen. Wenn ein Kind nach einem anstrengenden Kita-Tag auf einmal nicht mehr alleine die Schuhe anziehen mag und sofort auf Mamas Arm möchte – und nur auf Mamas Arm –, dann sei das auch mal in Ordnung. „Manche Eltern stehen mit verschränkten Armen im Kita-Flur und sagen zum Kind: ,Das musst du jetzt alleine machen.‘“ Aber darum ginge es in dem Moment vielleicht gar nicht. Das Kind möchte einfach einen Augenblick Mama-Nähe tanken, bevor es wieder neue Abenteuer erlebt, so Uta Allgaier: „Am nächsten Tag möchte es vielleicht wieder alles alleine machen.“

Und dann darf ein paar Wochen später nur der Papa der kleinen Pia die Schuhe anziehen. Warum auch nicht? Dass ein Kind einen Elternteil bevorzugt, ist oft nur eine Phase, betont Uta Allgaier. „Das darf dann vielleicht auch einfach mal so sein.“

>> Erzählen Sie von Ihren Erfahrungen

Wie haben Sie es erlebt, von Ihrem Kind abgelehnt zu werden? Oder wie war es für Sie, als einzige Person von Ihrem Kind in der Nähe geduldet zu werden? Erzählen Sie von Ihren Erfahrungen unter „Stichwort: Ablehnung“: Redaktion Wochenende, Jakob-Funke-Platz 1, 45127 Essen; lebenundfamilie@funkemedien.de

>> Die Expertin: Uta Allgaier, Elterntrainerin und Autorin

Uta Allgaier kommt aus Bottrop, in ihrer Wahlheimat Hamburg haben ihr Sohn und ihre Tochter das Haus bereits zum Studium verlassen. Die Elterntrainerin berät Familien als Coach, auch am Telefon sowie über Skype oder über Facetime.

Zudem schreibt die 59-Jährige Ratgeber für Eltern: „Wie Kinder stark werden und Eltern entspannt bleiben – Der Erziehungs-Kompass“ (Ellert & Richter, 224 S., 14,95 €). Sie bündelt Ideen aus verschiedenen Ratgebern. Die Themen reichen dabei vom Abstillen des Babys bis zur Wohnzimmerparty der Teenager.

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