Münster. Das Haus der Niederlande der Uni Münster hat eine bedeutende Historie und ist heute Ort des Lernens - mit Ausstellungen und Veranstaltungen.

Hölzern getäfelte Wände mit feinen Schnitzereien, eine hohe weiße Stuckdecken, von der ein Kronenleuchter hängt: Das Kaminzimmer im Haus der Niederlande in Münster gilt als einer der „Geburtsorte“ des Nachbarlandes.

Genau hier – vor einem massiven Kamin – wurde ein Meilenstein für die Niederlande geschaffen, erklärt Janka Wagner vom im Haus ansässigen Zentrum für Niederlandestudien der Uni Münster.

„Wir sprechen in Deutschland ja immer vom 30-jährigen Krieg, der mit dem Westfälischen Frieden 1648 endete“, so die Kulturwissenschaftlerin. „Die Niederlande sprechen vom 80-jährigen Krieg, der mit dem Vreden van Münster endete.“

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Ein bedeutender Friedensvertrag für das Nachbarland. „Die Niederlande konnten sich dadurch von der spanischen Krone abspalten und erstmals als souveräner Staat anerkannt werden. Dieser Vertrag wurde hier im Haus am 30. Januar 1648 unterzeichnet.“

Die Niederlande, schon vorher eine wichtige Handelsmacht, wurden durch dieses historische Ereignis geprägt, erläutert Wagner, deren Stimme in dem Raum mit der hohen Decke nachhallt.

„Durch den Vreden van Münster hat sich das noch stärker entwickeln können. Natürlich auch ein Selbstbewusstsein als Handelsnation in Europa.“

Historischer Ort: Haus der Niederlande in Münster

Daraufhin habe sich Amsterdam erst so richtig als wichtiges wirtschaftliches Zentrum etablieren können. „Deshalb spricht man heute noch immer von Holland, wenn die Niederlande gemeint sind. Obwohl es sich bei Holland nur um die zwei Provinzen nord- und Südholland handelt.“ Unterzeichnet wurde die Präambel an einem Tisch vor dem Kamin, der allerdings nicht mehr erhalten ist.

„Dort haben die Vertreter gesessen und debattiert. Über zwei Jahre lang bis schließlich das Dokument unterschrieben wurde. Danach ging es für die Delegation wieder zurück in die Niederlande“, erzählt Janka Wagner weiter.

Der reich verzierte Kamin im Zimmer sei zwar noch immer ein historisch, aber nicht das Original aus dem 16. Jahrhundert. Dieses steht heute im Friedenssaal in Münster, weil dort ein authentisches Stück gebraucht wurde.

Seminar im geschichtträchtigen Kaminzimmer

So prunkvoll wie der Raum ist, wundert es nicht, dass das Kaminzimmer vom Institut vor allem für internationale Gäste genutzt wird. Unter anderem König Willem-Alexander war schon zu Gast im Haus der Niederlande, weiß Janka Wagner zu berichten.

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Doch das historisch wichtige Zimmer ist nicht nur den wichtigen Gästen vorbehalten. Auch wer in Münster Niederländisch studiert, könnte mit etwas Glück darin unterrichtet werden. „Mitunter halten wir auch Seminare hier, wenn keine anderen Räume frei sind“, so Wagner.

Generell finden die Lehrveranstaltungen des Instituts nach Möglichkeit im ganzen Haus der Niederlande statt.

Expertise-Zentrum für Niederlande

Es beheimatet gleich drei Einrichtungen der Universität Münster, die sich mit dem niederländischen Sprach- und Kulturraum beschäftigen: Das Zentrum für Niederlande-Studien (ZNS), das sich fächerübergreifend den Niederlanden, Deutschland sowie den Beziehungen zwischen den Ländern widmet, das Institut für Niederländische Philologie (INP), das sich mit der niederländischen Sprach- und Literaturwissenschaft befasst.

Das Zentrum für Niederlande-Studien (ZNS) wurde 1989 an der Universität Münster gegründet. Es gilt als Expertise-Zentrum für Niederlande-Forschung und die deutsch-niederländischen Beziehungen in Europa.

Altes Denkmal mit neuen Aufgaben

Im 20. Jahrhundert wurde das historische Gebäude mit auffälligem Giebel am Steinweg lange als Stadtbücherei genutzt, bevor am 15. Mai 1995 die Niederlande-Institute der Universität Münster einziehen konnten und das Denkmal den Namen „Haus der Niederlande“ erhielt.

Ursprünglich hatte das jahrhundertealte Gebäude eine andere Funktion. „Dieses Haus ist historisch der Ort der Kaufmannsgilde gewesen. Deshalb heißen wir auch Haus der Niederlande im Krameramtshaus“, sagt Janka Wagner.

„Die Kramer waren die Kaufleute Münsters. Im Zunftsaal haben sie ihre Bankette gefeiert. Durch den Westfälischen Frieden 1648 kam es zu Umwidmung des Hauses. Hier wohnten die niederländischen Gesandten während den Friedensverhandlungen.“

Einzug der Institute der Uni Münster

Der dem Kaminzimmer benachbarte Zunftsaal im Erdgeschoss verrät noch die ursprüngliche Nutzung durch die kaufmännische Gilde. Auch er hat durch den Einzug der Institute noch mal einen ganz neuen Zweck bekommen.

„Hier haben wir ganz viele verschiedene Ausstellungen, die einen Bezug zur Niederlande haben“, so Wagner. „Zum Beispiel sind es niederländische Kunstschaffende oder es gibt einen starken thematischen Bezug, den wir für das Publikum in Deutschland zugänglich machen wollen.“

Niederlande-Bibliothek ist für alle offen

Die Treppe hinauf geht es zu einem weiteren Highlight, auf das man im Zentrum für Niederlandestudien sehr stolz ist.

„Die Bibliothek ist einer der Schätze unseres Hauses. Es ist der größte Standort niederländischer Literatur außerhalb der Niederlande“, sagt Janka Wagner neben dem Tresen, mit Blick auf die Regel voll Literatur.

„Man findet hier Fachliteratur, Zeitschriften aber auch Romane in Übersetzung – alles, was man über die Niederlande und Belgien wissen möchte, findet man hier.“ Und fast alles dürfe auch ausgeliehen werden.

Lesungen, Ausstellungen und Veranstaltungen

Zwar kämen vor allem Studierende und Forschende vorbei – aber auch externe Gäste seien gerne gesehen und fänden durchaus ihren Weg ins Haus, sagt Janka Wagner.

Vor allem niederländische Romane seien in deutscher Übersetzung erhältlich. Wer des niederländischen also nicht mächtig sei, komme also trotzdem auf seine oder ihre Kosten.

„Man kann sich problemlos einen Bibliotheksausweis erstellen lassen. Und wir haben hier in der Bibliothek unsere Abendveranstaltungen, zum Beispiel Podiumsdiskussionen oder Lesungen.“

Pro Semester seien es rund acht Veranstaltungen, die das Haus zu aktuellen Themen aus dem Nachbarland ausrichte. Etwa zu den Wahlen oder literarischen Erscheinungen. „Sie richten sich ganz gezielt an die breite Öffentlichkeit und finden in der Regel auf Deutsch statt.“

Das Interesse am Nachbarland kultivieren

Ein großes Thema für die kommenden Monate: Die Leipziger Buchmesse. Dort sind die Niederlande und Flandern Gastland. Dazu plane das Haus der Niederlande in Münster eine Ausstellung mit niederländischen Kinderbüchern, sagt Wagner, die das Veranstaltungsprogramm verantwortet.

Das Publikum im Haus sei gemischt. Natürlich ziehe der geschichtsträchtige Ort auch Touristinnen und Touristen aus dem Nachbarland an, sagt Janka Wagner. Sowieso kämen viele Menschen von jenseits der Grenze in die Stadt.

„Münster kennt in den Niederlanden fast jedes Kind, weil es historisch so eine Bedeutung hat“, so die Wissenschaftlerin. „Man merkt schon, dass viele Menschen aus den Niederlanden hierherkommen. Im Nachbarland ist das Haus bekannter als in Deutschland.“