An Rhein und Ruhr. Die DAVA-Partei tritt bei den Europawahlen an. Ihre Spitzenvertreter sind AKP-nah. Experten warnen vor zu großer Aufregung
Erneut sorgt eine Parteineugründung für Bewegung in der ohnehin zunehmend zersplitterten Parteienlandschaft. Die „Demokratische Allianz für Aufbruch und Vielfalt“, kurz DAVA will vor allem türkeistämmige Wähler ansprechen und bei den kommenden Europawahlen antreten. Experten gilt die neue Partei aufgrund ihres Spitzenpersonals als eine weitere Lobby-Organisation der türkischen Regierungspartei AKP. Der Verfassungsschutz ist alarmiert.
Die „Demokratische Allianz für Aufbruch und Vielfalt“ wurde Anfang des Jahres aus der Taufe gehoben. Das Kürzel DAVA gibt einen ersten Hinweis auf die Ausrichtung der Partei. Es klingt nicht zufällig wie der arabische Begriff Dawa, der für islamische Missionierung steht. Nach außen gibt sich die neue Partei weltoffen und tolerant. Man sei eine „neue politische Heimat für viele Bürger, die von den etablierten Parteien nicht repräsentiert werden“ und stehe für „Vielfalt und Toleranz“.
Ein Schwerpunkt im DAVA-Parteiprogramm ist die Integration des Islam in Deutschland. Die Partei setzt sich für die Anerkennung der muslimischen Verbände als Religionsgemeinschaften ein, fordert Islamunterricht und Imamausbildung und einen entschlosseneren Kampf gegen Islamfeindlichkeit. „Hindernisse, die das islamische Leben erschweren, sollen identifiziert und beseitigt werden“, heißt es in dem Programm. Zugleich spricht sich die DAVA für konservative Familienwerte und traditionelle Geschlechterrollen aus. Sozialpolitisch wirbt sie für höhere Renten, wirtschaftspolitisch für niedrigere Energiepreise, ohne allerdings zu erklären, wie das erreicht werden soll.
Für Beobachter wie Burak Copur kaschiert die Partei jedoch ihre eigentlichen Ziele. Copur ist Leiter des Essener Zentrums für Radikalismusforschung und Prävention. Für ihn ist klar: Die DAVA „ist eine Lobby-Partei des Erdogan-Regimes und ein weiterer Baustein zur politischen Instrumentalisierung der Erdogan-Diaspora“. Tatsächlich ist das Spitzenpersonal der neuen Partei hinlänglich bekannt.
So tritt mit dem Solinger Rechtsanwalt Fatih Zingal ein Mann als Spitzenkandidat für die Europawahl an, der als Sprecher der Union Internationaler Demokraten (UID) bekannt wurde. Die UID ist eine Lobby-Organisation der türkischen Regierungspartei AKP und wird vom Verfassungsschutz beobachtet. „Er ist ein Sprachrohr Erdogans“, sagt Burak Copur. Auch der frühere Generalsekretär des von der türkischen Religionsbehörde gesteuerten türkisch-islamischen Verbandes DITIB tritt als Kandidat an.
Organisierter als frühere AKP-nahe Parteigründungen
„Das sind klare Protagonisten und Statthalter des Erdogan-Regimes“, betont Copur. Bereits in der Vergangenheit gab es aus dem AKP-nahen konservativen Milieu immer wieder Versuche, Parteien zu etablieren, etwa die „Allianz Deutscher Demokraten (ADD)“ oder das „Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit (BIG)“, die jedoch wenig erfolgreich waren. Die DAVA-Partei erscheine ihm organisierter, so Copur. Er sehe zwar keinen Grund zu „großer Aufregung, aber man muss das beobachten“. Die DAVA-Partei, warnt der Radikalismus-Experte, werde die Ausgrenzung türkeistämmiger Menschen für ihre politischen Zwecke instrumentalisieren. „Sie „wird spalten und Konflikte provozieren“, so Copur.
Aufgrund der hohen Zahl türkeistämmiger Menschen an Rhein und Ruhr – hier leben etwa 934.000 Menschen mit türkischen Wurzeln, von denen etwa die Hälfte einen deutschen Pass haben – dürfte NRW zum wichtigsten Wahlkampfland für die DAVA vor den Europawahlen im Mai werden.
Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) beunruhigt die Neugründung. „Wenn Zuwanderer sich von unserer Parteienlandschaft nicht repräsentiert fühlen, müssen wir uns ernsthaft Gedanken machen.“ NRW müsse allen Menschen eine politische Heimat bieten, unabhängig von Herkunftsland oder Religion“, so Reul. Wenn jedoch „ausländische Regierungen Einfluss auf die Geschicke in unserem Land nehmen wollen, können wir das aber nicht akzeptieren“. Dass Gründungsmitglieder der DAVA der AKP nahestehen, „lässt uns aufhorchen“, betont der Landesinnenminister. Der Verfassungsschutz habe „alle Entwicklungen genau im Blick“.
Der Vorsitzende des Landesintegrationsrates gibt sich hingegen entspannt. Tayfun Keltek, selbst SPD-Mitglied, ist überzeugt, dass die neue Partei keinen Erfolg haben werde. Die Aufregung über die Parteineugründung habe ihn deswegen „schockiert und überrascht“. Es werde zwar Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte geben, die die DAVA wählen würden, weil sie ihre Interessen nicht ausreichend vertreten sähen. Anders als die AfD sei die neue Partei aber sicherlich keine Gefahr für die Demokratie.