Berlin. In Beziehungen kochen Emotionen schnell hoch, doch nicht jeder Streit ist auch ein Trigger. So erkennen Sie, wann Sie handeln sollten.
Ob der Partner ständig schmutziges Geschirr in der Spüle stehen lässt oder die Verabredung beim Essen schmatzt: Immer wieder fühlen wir uns im Alltag getriggert. Doch der Berliner Psychologe, Paartherapeut und Sexualberater Tobias Herrmann-Schwarz warnt vor einer leichtsinnigen Verwendung des Begriffs. „In der Psychologie bezeichnet der Begriff Trigger einen Auslösereiz“, erklärt er.
Eine bestimmte Situation, ein Geruch, ein Geräusch, eine unscheinbare Berührung oder ein Wort können dann schwere emotionale Reaktionen auslösen. „Die eigenen Erfahrungen spielen dabei immer eine Rolle“, sagt der Psychologe. „Deshalb sind Trigger individuell und äußerst vielschichtig.“ Was bei einem Trigger im Körper passiert und wie Sie sich selbst und anderen in solchen Momenten helfen können.
Trigger im Alltag: Was löst sie aus?
Wenn Menschen sagten, dass sie sich getriggert fühlen, gehe es in den meisten Fällen nicht um echte Trigger, sagt Hermann-Schwarz: „,Es nervt mich‘ oder ,Ich fühle mich angetippt‘ ist eigentlich das, was gemeint ist.“ Die meisten, die den Begriff verwendeten, meinten es nicht böswillig, erklärt er. Dennoch könne der sorglose Gebrauch verletzen und Betroffenen das Gefühl geben, dass man sie nicht ernst nehme.
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Entscheidend sei, dass ein Trigger bei den Betroffenen plötzlich und unkontrolliert eine Erinnerung hervorrufe – häufig an ein traumatisches Ereignis. Die Folge: Panik, Angst, Wut oder eine Schockstarre. „Die Betroffenen fühlen sich in solchen Momenten psychisch und emotional wie zurückversetzt“, sagt Hermann-Schwarz.
So könne ein einfacher Reiz zum Schlüssel für überwältigende Erinnerungen werden: „Situationen oder Gegenstände koppeln sich emotional an relevante Reize und werden so unbewusst in Erinnerung gerufen“, erklärt der Experte. Der Geruch eines Partners löst zum Beispiel oft Geborgenheit und Entspannung aus. Bei traumatisierten Menschen kann die Assoziierung dagegen starke negative Folgen mit sich bringen.
Das passiert bei einem Trigger im Körper
Im Trigger-Zustand übernehmen die Gefühle das Kommando, der Körper folgt den Gefahrensignalen. So sei die Reaktion auf einen Trigger nicht nur emotional, sondern auch biologisch gesteuert, sagt Psychologe Hermann-Schwarz: „Bei einem Triggerereignis kann der Körper Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol ausschütten.“ Diese versetzten uns in einen Alarmmodus, der den Körper auf Flucht oder Kampf vorbereitet: den sogenannten Fight-or-Flight-Zustand.
Das rationale Denken, das von der Großhirnrinde gesteuert wird, ist in diesem Moment außer Kraft gesetzt. So kann es zu impulsiven Reaktionen kommen: „Wenn die kognitiven Prozesse eingeschränkt sind, fällt logisches Denken schwer“, erklärt Herrmann-Schwarz. Die Emotionen dominieren in diesen Situationen, der Körper handelt automatisch und wie auf Autopilot.
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Das Problem: Wer von intensiven Gefühlen überwältigt wird, kann diese nicht einfach abschalten – schon gar nicht, wenn sie mit Traumata in Verbindung stehen. Hinzu komme, dass der Abbau der Stresshormone Zeit brauche, so Hermann-Schwarz. Bis Adrenalin und Cortisol wieder abgebaut seien, bleibe der Körper in Alarmbereitschaft.
Trigger in Beziehungen: Was unterscheidet sie von normalen Konflikten?
In Beziehungen können Trigger ebenfalls eine Rolle spielen. Allerdings mahnt Tobias Herrmann-Schwarz auch hier zur Differenzierung. Treffe sich der Partner zum Beispiel wiederholt freundschaftlich mit seiner Ex, könne das zu Verunsicherung oder Eifersucht führen. Dabei handele es sich zwar um einen Paarkonflikt, aber nicht unbedingt um einen Trigger.
„Solche Probleme können zwei erwachsene Menschen miteinander besprechen und lösen – notfalls mit professioneller Unterstützung“, sagt der Experte. „Dahinter stecken meist grundlegende Bedürfnisse wie Geborgenheit, Nähe oder Wertschätzung.“ Paare, die diese Ebene erkennen und ansprechen könnten, würden Konflikte oft nachhaltig lösen.
Anders sehe es aus, wenn das Verhalten des Partners tieferliegende Traumata reaktiviere. Das könne zum Beispiel der Fall sein, wenn die erhobene Stimme beim Gegenüber Erinnerungen an verletzende Erlebnisse oder traumatische Situationen weckt und eine mentale und emotionale Schockstarre aktiviert. „Hier ist in der Regel eine Traumatherapie notwendig, die nicht als Konflikt zwischen den Partnern, sondern unterstützend gelöst werden sollte“, empfiehlt Hermann-Schwarz.
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Trigger erkennen: Auf diesen Punkt sollten Sie achten
Gefühle lassen sich nicht steuern. Wer allerdings seine emotionalen Auslöser kennt, kann auch in belastenden Situationen gelassener reagieren. Herrmann-Schwarz rät dazu, im Moment einer Stress- oder Konfliktsituation bewusst innezuhalten und sich zu fragen, ob es zu der emotionalen Reaktion eine passende Erinnerung gibt.
Das kann besonders in Beziehungen hilfreich sein. Statt den Partner oder die Partnerin zu hinterfragen – „Warum macht er oder sie das?“ – rät der Paartherapeut zum Blick nach innen: „Warum macht es mir so viel aus?“ Nur wer verstehe, woher seine Trigger kommen, könne diese aufarbeiten.
Dabei hilft auch eine transparente Kommunikation: „Wer seine Trigger und möglichen Traumata kennt, sollte seinen Partner oder seine Partnerin darüber informieren“, sagt Hermann-Schwarz. „Vor allem, wenn es akut werden könnte.“ Ein solches Gespräch schaffe Verständnis, reduziere Konflikte und stärke nicht zuletzt das Vertrauen in der Beziehung.
Kontrollieren von Triggern: Vier Strategien für den Ernstfall
Doch was, wenn der Trigger bereits ausgelöst wurde? Auch dann gibt es Möglichkeiten, die Kontrolle über Körper und Verstand zurückzugewinnen. Herrmann-Schwarz empfiehlt für den Ernstfall vier leicht umsetzbare Schritte:
- Achtsamkeit üben: langsam von 100 abwärts zählen, um die Emotionen zu beruhigen und sich zu erden
- Abkühlen: kaltes Wasser ins Gesicht spritzen oder frische Luft schnappen, um den Kreislauf zu stabilisieren und die Panik zu dämpfen
- Ruhepol suchen: einen Ort aufsuchen, der Sicherheit und Ruhe bietet
- Bewegung: ein kurzer Spaziergang oder bewusstes, tiefes Atmen helfen dabei, den Körper aus der Stressreaktion zu holen
Auch der Partner kann unterstützen – vorausgesetzt, er ist nicht selbst der Grund für die Auslösung des Triggers. „Signalisieren Sie, dass Sie da sind“, rät Herrmann-Schwarz. „Zeigen Sie vorsichtige Nähe – aber nur, wenn sie erwünscht ist – und unterstützen Sie mit einfachen Atem- oder Entspannungsübungen.“
Haben sich die Emotionen beruhigt, helfe oft ein gemeinsamer Spaziergang oder ein ruhiges, klärendes Gespräch. Dabei geht es weniger darum, die Ursache des Triggers sofort zu beseitigen. Denn oft brauchen Betroffene in einem solchen Moment vor allem das Gefühl von Sicherheit.