Berlin. Die winzige Schilf-Glasflügelzikade befällt Kartoffelpflanzen und macht Landwirten zu schaffen. Und sie breitet sich immer weiter aus.
Kartoffeln sind Grundnahrungsmittel in Deutschland – doch nun drohen den Kartoffellandwirten enorme Ernteausfälle. Schuld daran ist ein noch nicht mal ein Zentimeter großes Insekt: die Schilf-Glasflügelzikade. Sie saugt an den Kartoffelpflanzen und infiziert sie so mit Bakterien, die einerseits das Syndrom des niedrigen Zuckergehalts (SBR) auslösen, wodurch die Kartoffelknollen an Stärke verlieren. Andererseits führen sie auch zu einer Rückbildung der Wurzeln und damit zu einem Vertrocknen der Pflanze.
Bei den Kartoffelpflanzen zeigt sich ein Befall mit der Schilf-Glasflügelzikade zuerst durch gelbe, vertrocknete Blätter. Nach und nach sind auch die Stängel betroffen und die Pflanze stellt ihr Wachstum ein. Besonders verheerend zeigen sich die Auswirkungen der kleinen Insekten allerdings unter der Erde in Form von kleinen, verschrumpelten und weichen Knollen, die von Bauern „Gummiknollen“ genannt werden und nur noch entsorgt werden können. Landwirten droht ein Verlust von über 50 Prozent der Ernte – in manchen Fällen auch ein Totalverlust.
Wie das Fachmagazin „Agrarheute“ berichtet, mussten im vergangenen Jahr insgesamt 8000 Hektar Kartoffelanbaufläche von den Landwirten als Totalverlust abgeschrieben werden. Im Vergleich zur Kartoffelgesamtanbaufläche von 263.000 Hektar mag das noch gering erscheinen. Doch insbesondere in einigen Regionen spüren die Landwirte die Schrecken der Schilf-Glasflügelzikade enorm: Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, ist insbesondere Bayern betroffen, dort insbesondere die Gegend um Würzburg.
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Schilf-Glasflügelzikade breitet sich rasant aus
Ein weiterer Hotspot der Schilf-Glasflügelzikade ist der Süden in Rheinland-Pfalz: „Was man aus der Pfalz hört, ist extrem beängstigend“, sagt Luitpold Scheid von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft der „Süddeutschen Zeitung“. Sowohl der Ertragsverlust als auch der Qualitätsverlust seien dort beträchtlich. Und die kleinen Insekten breiten sich weiter in Deutschland aus und besiedeln mit einer Geschwindigkeit von 30 Kilometern pro Jahr neue Regionen. Auch aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg wurden inzwischen Fälle der Schilf-Glasflügelzikade gemeldet.
So schreibt das brandenburgische Landwirtschaftsministerium auf eine Anfrage dieser Redaktion, dass am stärksten der Landkreis Märkisch-Oderland betroffen ist, jedoch auch schon Schilf-Glasflügelzikaden in der Uckermark und im Havelland festgestellt wurden. Auch wenn das Ausmaß, anders als in Süddeutschland noch gering ist, beteiligt sich das Land an einem bundesweiten Monitoring und warnt Landwirte vor dem Schädling.
Landwirte haben auch deshalb so große Furcht vor den Insekten, weil es bis heute keine wirkungsvollen Mittel gibt, um sie zu bekämpfen. „Mit herkömmlichen Insektiziden ist nicht viel zu erreichen“, sagte Jürgen Gross vom Julius-Kühn-Institut für Kulturpflanzen dem „Spiegel“. Nur kurz halten sich die Zikaden demnach auf den Pflanzen auf. „Danach legen sie Eier und alles spielt sich unterirdisch ab.“ Aktuell laufen zwar Forschungen zu einem Insektizid, doch es wird „noch etwas dauern, bis etwas Praxistaugliches vorliegt“.
Bis dahin wird sich das Problem noch weiter verschärfen: Die durch den Klimawandel immer trockeneren Sommer begünstigen das Wachstum der Zikaden-Populationen, während die Pflanzen durch die Hitze geschwächt und damit verletzlicher sind. Und die Schilf-Glasflügelzikade sucht sich schon weitere Opfer: Auch bei Zwiebeln, roter Beete und Karotten wurde bereits ein Befall festgestellt. Und schon seit Jahrzehnten betroffen sind Zuckerrüben.