Berlin. Bei der Oatzempic-Diät werden Mahlzeiten durch kalorienarme Haferdrinks ersetzt. Doch Experten sehen Risiken – vor allem für eine Gruppe.

Auf TikTok und in anderen sozialen Medien macht derzeit ein Ernährungstrend die Runde, der Abnehmwillige und Gesundheitsbewusste gleichermaßen aufhorchen lässt: „Oatzempic“. Die kreative Wortschöpfung kombiniert „Oats“, englisch für Hafer, mit „Ozempic“, einer Spritze zur Behandlung von Typ-2-Diabetes, die zuletzt vor allem als Abnehmhilfe Schlagzeilen machte.

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40 bis 60 Gramm Haferflocken, 250 Milliliter Wasser und der Saft einer halben Limette – das alles im Mixer verrühren und fertig ist der Oatzempic-Drink. Dieser soll nun anstelle von Mahlzeiten getrunken werden, in der Regel statt des Frühstücks. Das Ziel: in kürzester Zeit möglichst viel Gewicht verlieren.

Die Zutaten von Oatzempic klingen zunächst einmal naturbelassen und gesund. Tatsächlich sind Haferflocken reich an Ballaststoffen wie Beta-Glucan, das sich positiv auf den Cholesterinspiegel auswirkt und dafür sorgt, dass der Blutzuckerspiegel nicht so schnell ansteigt. Dies wiederum führt zu einem stärkeren Sättigungsgefühl. Auch Wasser wird eine sättigende Wirkung zugeschrieben. Limettensaft, der reich an Vitamin C ist, soll für einen angenehmeren Geschmack sorgen.

Oatzempic-Drinks: Expertin warnt vor Unterversorgung

Was also ist das Problem an dem Ernährungstrend, der ganz ohne den Griff ins Medikamentenregal auskommt? Laut Angela Clausen, Ernährungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, kann die Oatzempic-Diät bei übertriebener Anwendung schnell zu einer Unterversorgung mit wichtigen Nährstoffen führen. „Es fehlt an ausreichend Eiweiß, es fehlt an gesunden Fetten und es fehlt natürlich auch an Mikronährstoffen“, erklärt Clausen.

Angela Clausen
Angela Clausen ist Ernährungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. © Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen | Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen

Zwar sei ein Gewichtsverlust im Rahmen der Oatzempic-Diät wahrscheinlich, dies habe aber nichts mit den Inhaltsstoffen an sich zu tun, sondern schlicht mit dem niedrigen Energiegehalt der Drinks. „So ein Oatzempic-Getränk hat um die 200 Kalorien, eine normale Mahlzeit um die 600-700. Das bedeutet, dass ich pro Mahlzeit gut 400 Kalorien einspare“, sagt Clausen. Der Gewichtsverlust wird laut der Expertin außerdem dadurch verstärkt, dass vor allem Muskeln abgebaut werden, wodurch wiederum viel Wasser verloren geht.

Haferflocken seien zwar gesund, sollten aber nicht als einzige Nahrungsquelle dienen. „Eine ausgewogene Ernährung, bei der Haferflocken mit anderen Lebensmitteln wie Nüssen, Obst oder Joghurt kombiniert werden, ist viel empfehlenswerter“, so Clausen. Zudem gestalte sich das Abnehmen auf diese Weise weniger monoton, was dazu führen könne, dass Konsumenten die Diät länger durchhalten.

Ausgewogene Ernährung: Tipps von Ernährungs-Doc Dr. Matthias Riedl

  • Essen Sie fünf Hände voll Obst (2x) und Gemüse (3x) am Tag,
  • Nutzen Sie Vollkorn-Produkte,
  • Essen sie prä- und probiotische Lebensmittel: Joghurt (auch vegan), Kefir, Buttermilch, Kimchi, Sauerkraut etc.,
  • Essen Sie Hülsenfrüchte und Nüsse,
  • „Eat the rainbow“: Seien Sie flexibel und abwechslungsreich in ihrer gesunden Lebensmittelauswahl.

Für diese Menschen ist Oatzempic besonders ungeeignet

Besorgniserregend ist aus Sicht der Expertin auch, dass in den USA, wo der Trend seinen Ursprung hat, viele Diabetiker Oatzempic als Ersatz für eine Ozempic-Behandlung sehen. Das sei höchst gefährlich, denn Oatzempic könne keinesfalls eine ärztliche Behandlung ersetzen. „Während in Deutschland die Krankenkassen die Kosten für Ozempic zur Behandlung von Diabetes Typ 2 oft übernehmen, müssen Diabetiker in den USA die Spritze meist selbst bezahlen“, erklärt Clausen. Das mache die vermeintlich günstigere Alternative dort noch attraktiver. Die Oatzempic-Diät sei für Diabetiker jedoch besonders ungeeignet, da die ständige Zufuhr von Kohlenhydraten die Aufrechterhaltung eines stabilen Blutzuckerspiegels erschwere.

Generell dürfe die Wirkweise von Oatzempic keinesfalls mit der der Ozempic-Spritze gleichgesetzt werden, warnt die Expertin. Ähnlich sei allenfalls der häufig auftretende sogenannte Jojo-Effekt, also das hohe Risiko, nach Diätende das verlorene Körpergewicht rasch wieder zuzunehmen

Statt Oatzempic: Diese Abnehmprodukte empfiehlt die Expertin

Der Oatzempic-Trend basiere größtenteils auf anekdotischen Berichten und Social-Media-Hypes, nicht auf fundierten Studien, betont Clausen. Zudem sei es für Abnehmwillige grundsätzlich nicht empfehlenswert, Mahlzeiten überwiegend zu trinken anstatt zu essen. „Wer gar nicht kaut, bei dem tritt das Sättigungsgefühl auch erst später ein“, erklärt die Expertin. Wer neben den ballaststoffreichen Oatzempic-Drinks zu wenig Flüssigkeit aufnimmt, riskiere außerdem Verstopfung.

Menschen, die mit Hilfe von Ersatzmahlzeiten abnehmen wollen, empfiehlt Clausen eine geprüfte Formula-Diät. Die Fertigprodukte, die speziell für Abnehmwillige entwickelt werden, sind in der Apotheke, der Drogerie und in vielen Supermärkten erhältlich. „Hier gibt es eine von der EU gesetzlich vorgeschriebene Zusammensetzung, so dass die wichtigsten Nährstoffe und auch ausreichend Kalorien enthalten sind“, so die Expertin.