Berlin. Ein Vater erzählt von der Leidensgeschichte seiner 9-jährigen Tochter. Ein Top-Neurologe hilft der geplagten Familie weiter.

Trotz anhaltender Schmerzen, Schwindel und anderen Symptomen finden manche Betroffenen einfach keine Erleichterung. Denn: Hinter diesen Symptomen verstecken sich sogenannte funktionelle neurologische Störungen, die häufig nicht diagnostiziert werden (können). Gerade für die Betroffenen ist das nur schwer zu akzeptieren, da sie ohne die entsprechende Diagnose häufig von einem Arzt zum anderen geschickt werden und keine Lösung für ihr Problem finden.

Für solche Situationen hat diese Redaktion gemeinsam mit der Deutschen Hirnstiftung das Format „Die Hirn-Docs“ ins Leben gerufen. Dort konnten die Leserinnen und Leser Ihre Fragen rund um neurologische Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson, Schlaganfälle sowie chronische Schmerzen einreichen. Die Top-Experten der Hirnstiftung geben jetzt Antworten auf die eingereichten Fragen.

In diesem Fall schildert ein Vater die Geschichte seiner 9-jährigen Tochter, die seit einiger Zeit mit nächtlichen Schwindelattacken zu kämpfen hat. Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung, gibt Antwort.

Leser: „Die Situation ist für uns alle sehr belastend“

„Unsere neunjährige Tochter hat in regelmäßigen Abständen (etwa zwei bis vier Monate) nachts Schwindelattacken. Mitten in der Nacht wacht sie auf und schreit das Haus zusammen. Sie klagt über Schwindel und sagt, dass ihr der Kopf an der Stirn wehtue. Dabei schmeißt sie sich immer wieder auf den Boden und reagiert nicht auf Ansprache.

Sobald sie wieder richtig wach geworden ist und die Augen öffnen kann, ist meistens wieder alles normal. Wenn sie sich danach jedoch wieder hinlegt und einschläft, wiederholt sich das ganze eine halbe Stunde später. Dann erbricht sie sich auch oft. Am Tag hat sie keine Probleme. Diese ‚Nachtanfälle‘ dauern mehrere Tage bis zu zwei Wochen an. Danach ist für mehrere Wochen Ruhe. Der letzte Anfall im Mai dauerte eine Woche.

 Wir waren schon oft bei der Kinderärztin, beim Kinder-HNO (leichter Lagerungsschwindel rechts), Augenarzt, Kinderneurologen samt EEG (am Tag) und im MRT (für den Kopf). Alles war unauffällig und keiner konnte sich die Symptome erklären. Anschließend waren wir in einer Schmerzklinik. Dort wurde aufgrund der beschriebenen Symptome auf Migräne geschlossen, aber keine Therapie schlug an.

 Beim Osteopathen waren wir vor kurzem, er hat sie eingerenkt und vermutet eine vestibuläre Migräne. Die ganze Situation ist für unsere Tochter und uns sehr belastend. An wen können wir uns noch wenden?“

Arzt: „Schlaflabor könnte Aufklärung bringen“

Prof. Dr. Frank Erbguth: „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es sich bei den nächtlichen Attacken Ihrer Tochter um eine ‚funktionelle neurologische Störung‘ handelt. Davon würde man sprechen, wenn sonstige (neurologische) Erkrankungen ausgeschlossen wurden. Wenn man – mit aller Vorsicht aus der Ferne – die Anfälle einordnen wollte, so käme neben einem epileptischen Geschehen tatsächlich eine vestibuläre Migräne infrage, ebenso wie ein sogenannter Pavor nocturnus – der ‚Nachtschreck‘.

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Dabei handelt es sich um eine Form der Schlafstörung, die vorwiegend Klein- und Schulkinder betrifft. Anders als bei Ihrer Tochter treten die Anfälle meistens innerhalb der ersten REM-Phasen auf, also innerhalb von ca. zwei Stunden nach dem Schlafbeginn. Die Betroffenen schrecken mit Wimmern, Keuchen oder Schreien aus dem Tiefschlaf auf und sind oft erstmal nicht kontaktfähig, haben große Angst mit Schweißausbruch, schnellem Puls, beschleunigter Atmung und auch ‚Schwindel‘.

Ihre Frage wurde nicht beantwortet? Dann haben Sie die Möglichkeit, Ihr Anliegen online bei der Deutschen Hirnstiftung einzureichen. Rufen Sie dazu einfach im Browser die Website https://hirnstiftung.org/beratung/ auf. In der angezeigten Eingabe-Maske können Sie dann Ihren Fall schildern. Die Experten melden sich dann schnellstmöglich zurück.

Bezugspersonen und die Umgebung werden zunächst oft nicht erkannt. Dann wachen die Betroffenen auf und schlafen meist wieder ruhig ein. Meist können sie sich am nächsten Morgen nicht oder nur bruchstückhaft an den ‚Anfall‘ erinnern.

Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung
Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung © zrb (montage) | Agentur Adverb; istock

Die Kopfschmerzen Ihrer Tochter wären eher ein Argument für die ‚vestibuläre Migräne‘, wozu allerdings die Bewusstseinsstörung nicht so recht passt. Mit einem Kinderneurologen/Neuropädiater haben Sie schon grundsätzlich den zuständigen Arzt gefunden. Für hilfreich hielte ich die Untersuchung in einem Schlaflabor für Kinder, wenn mal wieder eine solche Serie begonnen hat und man erwarten kann, dass sich in der überwachten Nacht der ‚Anfall‘ zeigt.“