Berlin. Der Stich einer Biene oder Wespe tödlich enden. Für Allergiker gibt jedoch einen wirksamen Schutz – den kaum jemand nutzt
Für Menschen mit einer Allergie gegen Insektengift kann ein einziger Stich von Biene oder Wespe verheerende Folgen haben: Atemnot, Kreislaufkollaps, Tod. Statistisch gesehen gibt es jedes Jahr etwa 20 bis 40 solcher Todesfälle in Deutschland. Die Dunkelziffer dürfte nach Angaben der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) sogar noch deutlich höher liegen. Experten werben deshalb für eine Therapie mit großer Wirksamkeit.
„Aus epidemiologischen Studien wissen wir, dass bis zu 3,5 Prozent der Menschen in der Allgemeinbevölkerung eine echte Bienen- oder Wespengiftallergie haben“, sagt Professor Thilo Jakob, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Insektengiftallergie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinischer Immunologie. Eine echte Allergie bedeutet dabei, dass es nach einem Insektenstich nicht nur zu Schwellungen oder Rötungen der Haut kommt, sondern zu Übelkeit, Kreislaufproblemen, Schluckbeschwerden oder Atemnot.
Als schwerwiegend gelten die so genannten Anaphylaxie-Grade drei und vier, die sich durch Erbrechen oder Durchfall, Asthmaanfälle bis zum Atemstillstand oder durch Kreislaufversagen äußern. „Wenn Atemnot, Schwindelgefühl, Übelkeit, Herzrasen oder Bewusstlosigkeit auftreten, muss sofort der Notruf gewählt werden“, sagt Jakob.
Allergie gegen Insektengift: Therapie funktioniert wie eine Impfung
Nach einem Stich mit heftiger allergischer Reaktion ist es wichtig herauszufinden, welches Insekt die Reaktion hervorgerufen hat. „Nicht immer können die Betroffenen das genau beantworten“, erklärt Jakob. Mit Haut- und Bluttests könne man dann den Auslöser abklären.
Dem Mediziner zufolge gibt es bereits einen wirksamen Schutz vor solch schweren allergischen Reaktionen: die allergen-spezifische Immuntherapie. Diese funktioniere wie eine Impfung. Das Insektengift wird über einen längeren Zeitraum in zunehmenden Mengen in die Haut gespritzt, um das Immunsystem an das Allergen zu gewöhnen und die Patienten vor einer erneuten schweren allergischen Reaktion zu schützen.
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Bei einer Bienengiftallergie liegt die Wirksamkeit der Immuntherapie den Angaben zufolge bei bis zu 94 Prozent, bei Wespengift sogar bei bis zu 99 Prozent. Das bedeutet, dass das Risiko einer schweren Reaktion durch die Therapie um 94 beziehungsweise 99 Prozent niedriger ist als ohne. „Wenn man bedenkt, wie gut die Behandlung wirkt, ist es sehr verwunderlich, dass schätzungsweise nur 10 Prozent derjenigen, für die eine Indikation der Immuntherapie besteht, eine solche auch erhalten“, sagt Jakob.
Notfallset: Adrenalin-Spritze kann Leben retten
Ab dem Anaphylaxie-Grad zwei wird die Immuntherapie bei Insektengiftallergie empfohlen. Auch bei Erwachsenen mit einer Grad-eins-Anaphylaxie kann sie empfohlen sein, etwa wenn die Allergiker beruflich durch Imkerei oder die Arbeit in Gärtnereien oder Forstwirtschaft einem hohen Risiko für Insektenstiche ausgesetzt sind.
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„Wer sich immunisieren lassen möchte, muss sich auf eine über mehrere Jahre erstreckende Behandlung einlassen“, sagt Jakob. Er empfiehlt bei bestätigter Verdachtsdiagnose einer Bienen- oder Wespengiftallergie die Einleitung der Immuntherapie während eines kurzen Aufenthalts in einer Klinik. Die ambulante Weiterbehandlung werde meist von niedergelassenen Allergologinnen und Allergologen fortgeführt - in regelmäßigen Abständen für drei bis fünf Jahren. Die meisten Patientinnen und Patienten vertragen die Immuntherapie laut DDG gut. Bedeutsame Nebenwirkungen seien selten.
Grundsätzlich sollten Insektengift-Allergikerinnen und -allergiker mit dem Risiko einer schweren Reaktion immer ein Notfallset dabeihaben, um sich selbst behandeln zu können, rät Jakob. Dieses Set enthalte eine Adrenalin-Spritze, Kortison und ein Antihistaminikum. Es könne jede Ärztin oder jeder Arzt verschreiben.