Berlin. Wenn es mal schnell gehen muss, sollen Trinkmahlzeiten eine gesunde Alternative zu Fastfood sein. Halten die Anbieter dieses Versprechen?
- Trinkmahlzeiten, unter anderem von Yfood, Huel und Nupo, werden immer beliebter
- Beworben werden sie als gesunde Ernährung, wenn es mal schnell gehen muss
- Doch stimmt das Werbeversprechen? Das sagen Experten
Flasche schütteln, austrinken und du bist die kommenden Stunden satt und hast alle wichtigen Nährstoffe zu dir genommen – so zumindest lautet das vollmundige Reklameversprechen der Anbieter von Trinkmahlzeiten wie Yfood, Huel oder Nupo.
Auch Barebells, Saturo oder Mana werben auf dem umkämpften Markt um Kundinnen und Kunden, die sich im hektischen Alltag oft zu gestresst oder lustlos fühlen, sich ein ausgewogenes Essen zuzubereiten – die aber gern bereit sind, die ein oder andere Mahlzeit durch einen schnellen, angeblich vollwertigen und gesunden Drink zu ersetzen. Aber wie gesund und nahrhaft sind die Trinkmahlzeiten aus der Werbung tatsächlich?
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Trinkmahlzeiten: Bis zu fünf Euro pro Portion
Um die drei bis fünf Euro je nach Hersteller kostet die Portion in der Halbliterflasche oder -Packung. Sie stehen gut sichtbar in Drogerie- und Supermärkten. Bestimmte Marken sind nur online erhältlich. Verschiedene Geschmacksrichtungen wie Schoko, Vanille und Fruchtsorten sollen für Abwechslung sorgen.
Beispiel Yfood: Die 500-Milliliter-Flasche kostet in Supermärkten knapp vier Euro. "This is Food", prangt auf der Packung – das hier ist Essen. Bekanntheit erlangte die Marke 2018 in der TV-Sendung "Höhle der Löwen", kürzlich hat der Nestlé-Konzern knapp die Hälfte der Firmenanteile übernommen.
Hersteller wie Yfood und Huel versprechen "vollwertige Mahlzeit"
Laut Etikett liefert eine Portion 500 Kilokalorien, dazu 26 Vitamine und Mineralstoffe. Um für drei bis fünf Stunden satt zu machen, enthält die Trinkmahlzeit Ballaststoffe und ist laut Hersteller mit knapp 7 Gramm Eiweiß pro 100 Milliliter "reich an Protein". Käufer müssten sich unterwegs oder zuhause "keine Sorgen mehr um deine ausgewogene Ernährung machen", verspricht Yfood, Huel will eine "vollwertige Mahlzeit" bieten. "Schmackhaft" soll das Flaschenessen sein, "ohne Zuckerzusatz". Es gibt auch vegane Sorten ohne Kuhmilch.
Von "Smart Food" sprechen die Hersteller blumig und wollen damit eine ganz eigene Klasse der Nahrungsmittel ins Leben rufen. "Moderne Ernährung, die perfekt in deinen schnelllebigen Alltag passt", so Yfood. Entwickelt wurden die Sattmacher eigentlich als Astronautennahrung, da die Möglichkeiten im All zu kochen, eher begrenzt sind. Was am Flüssigessen ist glaubwürdig und was eher hippes Marketingversprechen?
Experte: "Als Alternative zu Fast Food total widersprüchlich"
"Als Alternative zu Fast Food sind die Produkte total widersprüchlich, da sie gerade so angelegt sind, noch schneller konsumiert zu werden", sagt Stefan Kabisch, Ernährungsforscher an der Berliner Charité, im Gespräch mit unserer Redaktion.
"Die Nährstoffe passieren relativ schnell den Magen und landen zügig im Darm." Dadurch steige der Blutzuckerspiegel schnell an und falle ebenso rapide wieder ab, erklärt der Experte. "Die Annahme, dass man mit diesen Produkten lange satt ist, würde ich so nicht belegt sehen." Lebensmittel zum Kauen mit den gleichen Nährstoffen würden länger satt machen.
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Zwar seien laut Zutatenliste von etwa vier Drinks darauf ausgelegt, den Tagesbedarf an Mineralstoffen und Vitaminen entsprechend der offiziellen Empfehlungen abzudecken. "Ob so ein Getränk aber zur korrekten Aufnahme führt, ist strittig."
In herkömmlicher fester Nahrung beeinflussten Begleitstoffe, wie, wann und welchen Anteil an Nährstoffen wir aufnehmen, erklärt Kabisch. "Das ist für diese Flüssigmahlzeiten komplett ungeklärt." Menschen mit körperlich anstrengenden Berufen, Sportler, Schwangere und Ältere hätten zudem einen teilweise höheren Bedarf.
Nominiert für die "dreisteste Werbelüge des Jahres"
Der Ernährungsforscher steht damit nicht allein. Anfang Juni wurde Yfood von der Verbraucherorganisation Foodwatch nominiert für den "Goldenen Windbeutel" – eine Auszeichnung für "die dreisteste Werbelüge des Jahres", kurz: Verbrauchertäuschung.
Zum überteuerten Preis von knapp acht Euro je Liter bekämen Kunden eine Trinkmahlzeit, die in der Variante "Classic Drinks" zum größten Teil aus fettarmer Milch und Wasser besteht, wie Foodwatch betont. Zugesetzt seien Vitamine, Mineralstoffe sowie Sucralose, ein künstliches Süßungsmittel, 400-mal süßer als Haushaltszucker. Yfood selbst bewerbe die Drinks dagegen mit "ohne Zuckerzusatz", dabei enthalte die Flasche der Sorte Smooth Vanilla 22 Gramm Zucker aus der Kuhmilch – mehr als sieben Zuckerwürfel.
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"Aus meiner Sicht ist es absurd, Yfood als vollwertiges Essen zu verkaufen", zitiert Foodwatch die Ernährungswissenschaftlerin Alice Luttropp, die auch für Foodwatch tätig ist. "Es ist ein hochverarbeitetes industriell hergestelltes Produkt. Es enthält eine ganze Menge Zucker und hat eine sehr hohe Kaloriendichte."
Nutri-Score: Yfood droht Abwertung bei Lebensmittel-Ampel
Wie viele der Sattmacher-Drinks ist auch Yfood derzeit noch mit der besten Nutri-Score-Bewertung, dem grünen A, gekennzeichnet. Das werde sich laut Foodwatch ändern: Wissenschaftler hätten kürzlich die Berechnungsgrundlagen der Lebensmittelampel überarbeitet, wonach Yfood bald ein rotes E erhalten werde – die schlechteste Bewertung der Nährstoffzusammensetzung im Vergleich zur Produktgruppe.
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In einem Blogbeitrag wehrt sich das Münchener Startup gegen die Kritik. Die Abwertung beim Nutri-Score komme nur zustande, wenn das Produkt als Getränk statt wie bisher als Lebensmittel eingestuft werde. Beim enthaltenen Zucker handele es sich um natürlichen Zucker, nicht um zugesetzten. Der niedrige glykämische Index lasse den Blutzuckerspiegel nicht so schnell ansteigen.
Trinkmahlzeiten: Was bewirkt das Essen ohne Kauen im Körper?
Yfood selbst sieht sein Produkt als Alternative für stressige Situationen, "in denen wir aufgrund von Zeitmangel in schlechte Essgewohnheiten zurückfallen". Zum Abnehmen sei der Drink nicht gedacht, so der Hersteller: "Trinkmahlzeiten sind keine Diätdrinks."
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Kabisch bestätigt das. Unterm Strich sieht der Experte in den Flüssigmahlzeiten "keine schlaue Wahl" für eine gesunde Ernährung. Das Herunterstürzen ohne Kauen sorge dafür, "dass wir Mahlzeiten und ihre Kalorienmenge noch weniger bewusst wahrnehmen."