Essen. Von Mobbing bis zu handfesten Morddrohungen. Gewalt gehört zum Alltag vieler Lehrkräfte in NRW. Das zeigt eine Umfrage des Philologenverbands.
Mobbing, Hass und Gewalt nehmen an den Schulen in NRW zu. Jede zweite Lehrkraft in NRW hat bereits Erfahrungen mit Gewalt an der Schule gemacht. Dies ergab eine aktuelle Umfrage unter rund 1500 Lehrkräften im September und Oktober 2023, die der Philologenverband (PhV) NRW am Mittwoch veröffentlicht hat. Demnach ist Gewalt keinesfalls in erster Linie ein Problem an Brennpunktschulen.
Da ist zum Beispiel der Schulleiter aus dem Westfälischen, der bei einem Spendenlauf von einem Vater beleidigt und körperlich angegriffen wird. Da ist die Kölner Lehrerin, die im Schulgebäude massiv von einem Schüler beschimpft wird. Und einem Lehrer aus dem Ruhrgebiet fliegt auf dem Schulhof eine Getränkeflasche an den Hinterkopf, schildert der Verband die Erfahrungen von Pädagoginnen und Pädagogen.
Bedrohungen, körperliche Attacken, Beschimpfungen, heimlich aufgenommene Videos in den sozialen Medien, Beleidigungen, falsche Beschuldigungen, Bombendrohungen bis hin zu handfesten Morddrohungen gehören in den Katalog der Übergriffe. „Uns haben die Zahlen und Schilderungen schockiert“, sagt die Vorsitzende des PhV in NRW, Sabine Mistler. „Sie zeigen deutlich, dass etwas passieren muss.“
Unterschiede je nach Schulform
Konkret waren laut der aktuellen Umfrage des Philologenverbands NRW fast die Hälfte (47 %) der Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien und mehr als Dreiviertel der Lehrkräfte an Gesamtschulen (76 %) in den vergangenen Jahren schon einmal persönlich von Gewalt betroffen. Das bedeutet: körperliche Übergriffe, Bedrohung, Mobbing, Beschimpfung, sexualisierte Gewalt, Nötigung, Sachbeschädigung oder Cyber-Mobbing.
Bei der Häufigkeit der Vorfälle zeigten sich deutliche Unterschiede je nach Schulform. An Gesamtschulen gaben 51 Prozent der Befragten an, es geschehe häufig, 18 Prozent meinten sogar: sehr häufig. An Gymnasien sagten dies 27 Prozent sowie sechs Prozent.
Fallzahlen nach Pandemie gestiegen
Auch die Art der Übergriffe unterscheide sich laut den Aussagen der Lehrkräfte an den Schulformen. Während an Gymnasien Beleidigungen, Beschimpfungen und Online- oder Cyberdelikte an erster Stelle genannt wurden, geht es an Gesamtschulen offenbar robuster zur Sache. Hier kommen körperliche Übergriffe häufiger vor als Vergehen im digitalen Raum, teilt der Philologenverband mit.
Die Ergebnisse bestätigen frühere Erhebungen des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), die ebenfalls einen Zuwachs von Gewalt an Schulen ans Licht brachten. In drei Vierteln der Schulen sei es in den vergangenen fünf Jahren zu psychischer Gewalt und in fast der Hälfte der Schulen zu körperlicher Gewalt gekommen, lautete ein Ergebnis der VBE-Studie im vergangenen Jahr. Die Hemmschwellen seien gesunken.
Laut Angaben des NRW-Innenministeriums ist die Gewalt an Schulen im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vor-Pandemiejahr 2019 um 22 Prozent gestiegen. Die meisten Delikte sind demnach Diebstähle, Raub, Erpressung und Körperverletzung. Zudem registrierte die Polizei 193 Angriffe mit Stichwaffen. In Schulen und ihrem Umfeld hätten sich die Fallzahlen nach der Pandemie zwischen 2021 und 2022 auf 9300 verdoppelt.
Lehrkräfte fordern Unterstützung
Meist gehen die Übergriffe von Schülerinnen und Schülern aus, an zweiter Stelle werden in der Umfrage des Philologenverbands die Eltern genannt. Offenbar sorgen besonders Elterngespräche für Unbehagen unter den Lehrkräften. „Elterngespräche nicht allein führen“, lautete ein kollegialer Rat aus der Umfrage. „Ich gehe nicht ohne Unterstützung in schwierige Situationen“, berichtete ein anderer Pädagoge.
Viele Lehrkräfte fühlen sich offenbar allein gelassen und wünschen sich mehr Unterstützung vom Kollegium oder der Schulleitung, berichtet Sabine Mistler. Einlasskontrollen, Videokameras, mehr Schulsozialarbeit oder sogar Sicherheitsdienste auf dem Schulgelände sind einige Vorschläge der Pädagogen. „Wir dürfen das Thema nicht mehr totschweigen, die Probleme müssen laut ausgesprochen werden, auch von der Politik“, fordern laut Philologenverband viele Lehrkräfte.
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