Düsseldorf. Drei Tage nach dem Migrationsgipfel von Bund und Ländern hatten im NRW-Landtag kommunale Praktiker das Wort - und wurden deutlich.

Drei Tage nach dem Bund-Länder-Gipfel zur Migrationskrise haben Vertreter von Kommunen und lokalen Hilfsorganisationen in einer Expertenanhörung des Landtags den Praxiswert der getroffenen Vereinbarungen bezweifelt.

Der Dezernent für Migration der Stadt Krefeld, Andreas Pamp, wies die geplante neue Bezahlkarte für Asylbewerber als realitätsfern zurück. „Da läuft bei uns direkt ein Film ab, der kein gutes Ende nimmt“, sagte Pamp. In Krefeld gebe es 400 Menschen, die Asylbewerberleistungen bezögen. „Soll ich künftig 400 Klientinnen und Klienten monatlich bei mir begrüßen, um eine Bezahlkarte aufzuladen?“, fragte er sarkastisch und fügte hinzu: „Bis das Thema entwickelt und durch ist, bin ich wahrscheinlich schon in Rente.“

NRW sucht Freiwillige für Flüchtlingsarbeit: "Das Ehrenamt ist müde"

Schutzsuchende sollen künftig 36 Monate lang Asylbewerberleistungen als Guthaben auf einer Bezahlkarte bekommen, damit weniger Überweisungen in die Heimat vorgenommen werden können. Ein Kartenmodell will eine Arbeitsgruppe bis Jahresbeginn 2024 entwickeln.

Man sehe auf kommunaler Ebene keine direkte Verbesserung durch die Beschlüsse. "Sie mögen wirken, aber nicht sofort. Und die Lage spitzt sich aktuell enorm zu“, urteilte Christoph Schlütermann vom Deutschen Roten-Kreuz (DRK) grundsätzlich. Anders als in der Migrationskrise 2015 werde es zudem immer schwerer, Freiwillige für die Flüchtlingsarbeit zu finden: „Das Ehrenamt wird müde.“

Bürgermeisterin aus Kaarst: Wir integrieren gerne Menschen mit Bleibeperspektive

Mehrere Kommunalvertreter nahmen die schwarz-grüne Landesregierung in die Pflicht, die Zuweisung von Flüchtlingen ohne geklärten Asylstatus zu stoppen. Schulen, Kindergärten und Sprachkurse seien überlastet, klagte die Bürgermeisterin der Stadt Kaarst, Ursula Baum (FDP): „Wir integrieren gerne die Menschen, aber wir integrieren nicht die Menschen, die keine Bleibeperspektive haben." Gerichtet an die Landesregierung sagte die Bürgermeisterin: "Wenn Sie mir Albaner zuweisen, Entschuldigung, dann frage ich mich, warum Sie das tun.“

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Weil es der Landesregierung bislang nicht gelungen ist, eine ausreichende Zahl an eigenen Unterkunftsplätzen zu schaffen, werden vermehrt auch Flüchtlinge in die Städte geschickt, die noch nicht einmal einen Anhörungstermin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatten. Obwohl das Land zum Jahreswechsel weitere 3000 Betten zugesagt hat, ist man in NRW von den 70.000 Plätzen, die nach Auffassung der Kommunalen Spitzenverbänden nötig wären, weit entfernt.

Nach Bund-Länder-Gipfel zu neuer Flüchtlingspauschale: NRW-Kommunen erheben Ansprüche

Nach dem Bund-Länder-Gipfel bahnt sich auch neuer Streit ums Geld an. Die Kommunen erwarten, dass die Landesregierung die neue Pro-Kopf-Pauschale des Bundes von 7500 Euro im Jahr durchleitet und entsprechend das Flüchtlingsaufnahmegesetz verändert. Man gehe von Kostensteigerung seit 2017 von 20 Prozent aus. Auch bleibe man auf Krankenkosten der Flüchtlinge sitzen und zahle bei Vorhaltekosten für Betten drauf, die zwischenzeitlich nicht belegt sind. Andreas Wohland vom Städte- und Gemeindebund mahnte überdies Hilfen für die zahlreichen Geduldeten an, die oft über Jahre in den Städten leben: „Für die Geduldeten bekommen die Kommunen eine Einmal-Pauschale in Höhe von 12.000 Euro, egal, wie lange die Menschen im Duldungsstatuts sind.“

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