Essen/Berlin. Flüchtlinge sollen gar nicht nach Europa kommen, um einen Asylantrag zu stellen. Das ist die Kernidee eines SPD-Konzepts. Wie das gehen soll.

Kurz vor dem Bund-Länder-Gipfel zum Thema Zuwanderung am Montag kommen nun auch aus Reihen der SPD-Bundestagsabgeordneten Vorschläge, Asylverfahren außerhalb Europas abzuwickeln. Äußerungen von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zielten kürzlich in eine ähnliche Richtung.

„Schluss mit dem Massengrab Mittelmeer durch ein humanes und kontrolliertes Asylmanagement“ ist der Titel eines Impulspapiers, das Frank Schwabe, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Recklinghausen, sowie Lars Castellucci (Baden-Württemberg) und Fabian Funke (Sachsen) verfasst haben und das derzeit für einigen Wirbel sorgt.

Die Kernidee ist: Schutzsuchende sollen gar nicht erst nach Europa kommen, um einen Antrag auf Asyl zu stellen. Die Verfahren sollen außerhalb der EU in „Migrations-Zentren in sicheren Drittstaaten als Anker- und Anlaufpunkt für Schutzsuchende“ stattfinden, heißt es in dem vierseitigen Papier, das unserer Redaktion vorliegt. „Jeder Person, die die gesetzlichen Kriterien für Asyl erfüllt, wird der Schutzstatus gewährt. Es gibt keine Obergrenze“, schreiben die Politiker weiter.

Migration anders und humaner ordnen

Das Konzept ersetze irreguläre und lebensbedrohliche Migration durch sichere und legale. „Die Vorschläge würden Migration so ordnen, dass diejenigen, die ein Recht auf Asyl haben, es auch bekommen und dafür nicht ihr Leben aufs Spiel setzen oder sich an den EU-Außengrenzen verprügeln und zurückstoßen lassen müssen“, sagt Schwabe. Dadurch werde zugleich die Akzeptanz für Arbeitsmigration steigen. „Faktisch kommen die Menschen, die hier arbeiten wollen, durch das falsche Tor zu uns, durch das Tor Asyl.“

Frank Schwabe, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Recklinghausen.
Frank Schwabe, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Recklinghausen. © FFS | Ralf Rottmann

Bislang müssen Migranten EU-Boden betreten, um Asyl beantragen zu können. Nach dem Willen der SPD-Politiker wäre damit Schluss. Auch Asylbewerber, die bereits in die EU eingereist sind, sollen für die Dauer des Verfahrens in sichere Drittstaaten gebracht werden können. Dort soll in den Migrations-Zentren über die Asylanträge entschieden werden. „Bei einem positiven Bescheid wird über Kontingente die sichere Reise in die EU gewährleistet.“

SPD-Politiker: „Ich sehe keinen anderen Weg“

Welche Länder für diese Zusammenarbeit infrage kommen, könne zum derzeitigen Zeitpunkt nicht gesagt werden, räumt Schwabe ein. „Wir haben gewisse Vorstellungen.“ Doch ihm sei bewusst, dass es „höchstschwierig“ werde, das Konzept mit Leben zu füllen. „Am Ende Asylverfahren in Ländern außerhalb Europas abzuwickeln, ist ein dickes Brett und bedarf einer europäischen Regelung, für die sich die Bundesregierung in Europa stark machen muss.“

Dass diese Vorschläge auch in der Ampel-Koalition für Diskussionsstoff sorgen dürften, ist den Autoren offenbar bewusst. „Das Papier stellt einen Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik dar“, sagte Schwabe der WAZ. Es sei das Ergebnis eines langen Diskussionsprozesses. Abschreckungskonzepte wie Sozialleistungen für Asylbewerber zu kürzen oder Menschen massiv abzuschieben, seien auf Dauer untauglich, um die Zahlen irregulärer Migration merklich zu senken. „Ich sehe keinen anderen als den von uns vorgeschlagenen Weg“, sagt der Menschenrechtspolitiker Schwabe.

Weitere Texte aus dem Ressort NRW-Politik finden Sie hier: