Düsseldorf. Datenleck beim Landesinstitut für Schule, Download-Panne beim Zentralabitur: Monate später werden nun erste Konsequenzen gezogen.
Eigentlich wollte Schulministerin Dorothee Feller öffentliche Termine mitten in den Sommerferien erst ab der kommenden Woche wieder wahrnehmen. Am nächsten Montag ist die CDU-Politikerin zur „Extra-Zeit für Bewegung“ beim TuS Holzwickede verabredet, vier Tage später gibt sie in der Landespresskonferenz den traditionellen Ausblick ins neue Schuljahr. Nun kam jedoch eine Pflichtübung dazwischen, die so unangenehm ist wie ein Elterngespräch vor dem Schulverweis: Erstmals in ihrer noch jungen Ministerinnen-Karriere musste Feller einen ranghohen Mitarbeiter in die Wüste schicken.
Der Direktor des landeseigenen Instituts für Schule (Qualis) in Soest, Rüdiger Käuser, gab am Mittwochmorgen in einer Personalversammlung überraschend seinen Rückzug bekannt. Feller schickte ihm einen dürren Gruß hinterher: „Gemeinsam mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat er dazu beigetragen, die Schulen auch während der Pandemie bestmöglich zu unterstützen. Ich danke Herrn Käuser für seinen Einsatz und wünsche ihm für die Zukunft alles Gute.“
Tausende Lehrer ahnten nicht, dass ihre Daten nicht sicher sind
Damit fordert die „Daten-Affäre“, die der Schulministerin zuletzt arg zugesetzt hatte, ein erstes Opfer. Bei „Qualis“ war im Frühjahr ein gravierendes Datenleck öffentlich geworden, durch das Tausende persönliche Informationen von Lehrkräften einsehbar wurden. Bei dem Landesinstitut tauschten sich Pädagogen aus ganz Nordrhein-Westfalen auf einem Server jahrelang über Lehrinhalte und Fortbildungen aus, ohne zu wissen, dass ihre Nutzerinformationen nicht geschützt sind. Später wurde auch noch bekannt, dass Mitarbeiter des Landesinstituts schon länger in Düsseldorf die veraltete Software ihrer Internet-Seite beklagten.
Richtige politische Wucht entfalteten diese Schwächen, weil fast zeitgleich die Download-Panne beim Zentralabitur die schwarz-grüne Landesregierung zum Gespött machte. Im April mussten schriftliche Klausuren verschoben werden, weil Lehrkräfte die Prüfungsaufgaben nicht rechtzeitig herunterladen konnten. Die Schulbürokratie stand öffentlich endgültig als Digitalisierungs-Diaspora da, auch wenn diesmal ein externer Dienstleister Schuld hatte und nicht „Qualis“. Die einflussreiche Bildungsgewerkschaft GEW zählte die Ministerin damals bereits an: „Beschäftigte und Schüler müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Daten sicher sind und dass die IT-Infrastruktur verlässlich funktioniert.“
Landesinstitut Qualis soll nicht aufgelöst werden
Mit Käusers Demission ist nun die erste Führungskraft benannt, die politische Verantwortung für das Debakel übernehmen muss. Der Gymnasiallehrer für Deutsch, Geografie und Philosophie war erst Anfang 2022 an die Institutsspitze berufen worden. Zuvor arbeitete er als Schulleiter des Fürst-Johann-Moritz-Gymnasiums in Siegen und leitete die Westfälisch-Lippische Direktorenvereinigung der Gymnasien in NRW. Feller fühlte sich schlecht von „Qualis“ über die technischen Probleme informiert und machte deutlich, dass sie das in Soest angesiedelte Institut künftig enger an ihre Düsseldorfer Ministerialbürokratie anbinden will. Einer Auflösung der Einrichtung, wie sie vor mehr als 15 Jahren schon einmal beschlossen wurde, redete Feller jedoch nicht das Wort. In Soest arbeiten rund 200 Mitarbeiter an neuen Lehrplänen, entwickeln Prüfungsaufgaben, bieten Fortbildungen an und halten den Kontakt zur Wissenschaft.
Hat die Schulministerin nur einen Sündenbock gesucht?
Vielmehr wird in ihrer ersten Krise die Handschrift der Schulministerin erkennbarer. Die 57-jährige Feller ist gelernte Verwaltungsjuristin und hat praktisch ihr gesamtes Berufsleben in der Bezirksregierung Münster verbracht, die sie zum Schluss als Regierungspräsidentin führte. Sie war nie Politikerin und nähert sich Problemen offenbar eher mit einer strukturellen Schwächenanalyse. Am Ende greift sie dann leise durch. Nach wochenlangen Überlegungen bekommt „Qualis“ nun eine neue Führung, während das technische Verfahren zur Bereitstellung der zentralen Abiturprüfung neu ausgeschrieben wird.
SPD-Landtagsfraktionschef Jochen Ott warf Feller dagegen „Verwaltungsversagen“ vor. Institutsleiter Käuser sei als Sündenbock ausgemacht worden, „dem man die alleinige Schuld zuschieben kann“. Es gebe bei Feller keine Fehlerkultur, kritisierte Ott, der vor seiner Politiker-Karriere selbst als Lehrer gearbeitet hat. „Offenbar ist sie in keiner Weise bereit, selbst Verantwortung zu übernehmen.“