Essen. Ibrahim lebt seit 20 Jahren friedlich in Essen. Plötzlich fühlt er sich wie ein Fremder: „Leute wechseln die Straßenseite, wenn sie mich sehen.“
Viele Syrerinnen und Syrer, die nicht an den Clan-Tumulten in Essen beteiligt waren, treiben die Konflikte um. Student Ibrahim (24) möchte nicht vorverurteilt werden:
„Die Seniorin, die früher mit mir interessiert über meine Migrationsgeschichte gesprochen hat, wechselt mittlerweile die Straßenseite, wenn sie mich sieht. Denn ich könnte ja „einer von den Kriminellen“ sein.
Nur, weil ich eine große Familie habe, bin ich noch lange kein Clan-Mitglied. Angenommen, ich wäre in einen Streit verwickelt und würde daraufhin meinen Cousin anrufen: er würde mich auslachen. Ich habe Sorge davor, dass die Menschen mich wegen meiner syrischen Herkunft vorverurteilen.
Syrische Großfamilie: „Bei uns ist man schnell bei 150 Personen“
Wir haben einfach ein anderes Familienbild als die Deutschen. Bei uns ist man in der zweiten Generation schnell mal bei 40 Personen. In der Dritten dann bei 150. Viele von ihnen sind Akademiker oder machen eine Ausbildung. Wer sich bei uns einen Eintrag ins Führungszeugnis erlaubt, verbockt sich doch die Zukunft.
Ich lebe seit 20 Jahren in Essen. Während ich hier früher ein entspanntes Leben hatte, habe ich heute das Gefühl, mich ständig beweisen und für meine Kultur rechtfertigen zu müssen. Neulich war ich mit einem meiner besten Freunde, einem Libanesen, unterwegs. Auf der Straße starrten uns die Menschen an, als würden sie nur darauf warten, dass gleich eine kriminelle Handlung von uns kommt. Dabei fühle ich mich wegen der vielen Schlägereien in der Essener Innenstadt ab 20 Uhr selbst nicht mehr sicher.“