Düsseldorf. Im zweiten Teil unseres diesjährigen Parteien-TÜVs stellen wir die FDP in NRW auf den Prüfstand.

Die Lage: In Meinungsumfragen schwimmen die Liberalen derzeit auf einer Woge des Erfolgs. Nach dünnen 6,2 Prozent bei der NRW-Landtagswahl 2005 gilt gar eine Verdopplung der Stimmenzahl 2010 nicht als ausgeschlossen. Während CDU, SPD und Grüne kräftig mit dem linken Flügel schlagen, bleibt die NRW-FDP hart auf Wirtschaftskurs. Das sichert ihr nicht nur in Unternehmerkreisen Zuspruch. Auch im Lager der konservativen CDU-Anhänger wildern die Liberalen erfolgreich. FDP-Landeschef Andreas Pinkwart präsentiert sich als verlässlicher Koalitionspartner im Kabinett Rüttgers, der Ton zwischen CDU und FDP aber wird mit den näher rückenden Wahlen merklich schärfer.

Die NRW-Liberalen treten bei der Kommunalwahl Ende August in der Hälfte der 396-NRW-Kommunen und 31 Landkreise mit eigenem Kandidaten an. Nach dem Wegfall der Stichwahl schwächt dies das konservative Lager – zum Unwillen der CDU.

Die Probleme: Die Vision „Privat statt Staat“ ist in Zeiten der globalen Finanzkrise nicht immer leicht zu vermitteln. Selbst Koalitionspartner Rüttgers erklärte das „Mantra von Privatisierung“ für beendet. Einerseits tritt die FDP für weniger Schulden ein, andererseits fordert sie Steuersenkungen und Mehrausgaben für Bildung und Forschung. Das ist bei sinkenden Steuereinnahmen nur schwer vereinbar. Proteste gegen die von Wissenschaftsminister Pinkwart durchgesetzten Studiengebühren sorgen für Ärger an Unis und vor Gerichten. Der Streit mit der CDU über die FDP-Forderung nach einer Regionalen Mittelschule belastet das Koalitionsklima zusätzlich. Das Erbe der Möllemann-Ära drückt die FDP weiterhin: Mit einer Klage gegen die 4,3-Millionen-Strafe wegen der Spendenaffäre bleibt das Thema Jürgen Möllemann auf der Agenda der Liberalen.

Mit klar verteilten Koalitionsrollen

Die Strategie: Die FDP will die vom Merkel-Kurs enttäuschten „Friedrich-Merz-Wähler“ mit ordnungspolitisch klaren Grundsätzen abwerben. Selbst in einst liberalen Diaspora-Regionen wie dem Sauerland haben die Liberalen bei der Europawahl stark zugelegt. Inhaltlich setzt die FDP auf den Ausbau der Hochschulen, mehr Forschung und Autonomie der Hochschulen. Mit ihrem Atom-Kurs grenzt sich die FDP scharf von SPD und Grünen ab. Bei der Kommunalwahl erhoffen sich die Liberalen ein zweistelliges Ergebnis – nicht zuletzt, um die eigene Basis für den wichtigen Bundestagswahlkampf zu motivieren.

In der nordrhein-westfälischen Koalition sind die Rollen verteilt: Arbeiterführer Rüttgers fürs Soziale, die FDP für den Mittelstand. Die Strategie scheint aufzugehen: In NRW-Umfragen liegt Schwarz-Gelb derzeit stabil über 50 Prozent der Stimmen.

Die Ziele: Bei der Landtagswahl 2010 will die FDP wieder drittstärkste Partei im Land werden und mit der Union weiterregieren. Die stark verunsicherte SPD gilt in FDP-Kreisen derzeit in NRW als nicht koalitionsfähig, im Landtag sind sich Liberale und Grüne spinnefeind. Deshalb zeichnet sich ein Lagerwahlkampf ab. Je näher die Wahltermine rücken, umso klarer besinnt sich die FDP auf eigene Stärken und Themen. Vorstöße zur Lockerung des Ladenschlussgesetzes und die Absage an einen „Überwachungsstaat“ dienen der eigenen Profilierung. Im offenen Streit über mögliche Staatshilfen für Opel drohte die NRW-FDP Regierungschef Rüttgers sogar mit dem Bruch der Koalition.

Auf- und Absteiger: Als Spitzenkandidat für die NRW-Landtagswahl hält Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart die Fäden im Landesverband fest in der Hand. Der Westerwelle-Stellvertreter in der Bundespartei hat die NRW-FDP gut aufgestellt. Pinkwart wirkt als ausgleichendes Element in der NRW-Koalition, vertritt aber inhaltlich eindeutige Positionen. Rüttgers kann sich auf seine Nummer 2 politisch verlassen. Der begabte Generalsekretär Christian Lindner wechselt im Herbst in den Bundestag und soll dort das Gewicht der NRW-FDP auf Bundesebene stärken.

Mit ihrem Fraktionschef Gerhard Papke verfügt die NRW-FDP über einen rhetorisch versierten Zuspitzer, der mit seinen liberalen Freiübungen im politischen Alltag keinen Konflikt mit der CDU scheut. Innenminister Ingo Wolf hat nach einer Reihe von Niederlagen vor dem Verfassungsgericht weiter einen schweren Stand. Rüttgers ist nicht immer glücklich über Wolfs Vorgehen und muss seinen Innenminister von Zeit zu Zeit „zum Jagen tragen“.