Moskau. Militärisch, wirtschaftlich und politisch ist Belarus vollkommen von Russland abhängig. Wird sich nach den Wahlen daran etwas ändern?

Anna Kanopatskaja, ihres Zeichens Unternehmerin, könnte die erste Präsidentin in Belarus werden. Theoretisch. Praktisch natürlich nicht. Die Wahl läuft noch, aber Amtsinhaber Alexander Lukaschenko wird sich mit haushoher Mehrheit zum Wahlsieger erklären. Mit einer gleichfalls grandiosen Wahlbeteiligung, die er wohl selbst festlegt, steht er damit vor seiner siebten Amtszeit. Frau Kanopatskaja sorgt bei dieser „Wahl“ genauso für einen demokratischen Anstrich wie die anderen „Kandidaten“ auf der Liste, die zum Teil Lukaschenko unterstützen. Wahlkampf, Wahldebatten gar? „Ich habe keine Zeit dafür“, sagte Lukaschenko, den man mit Fug und Recht den „letzten Diktator“ Europas nennen darf.

Schiefgelaufen aus Lukaschenkos Sicht war im August 2020 die letzte Präsidentschaftswahl. Mit der heute im Ausland lebenden Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, die für ihren von Lukaschenko bis heute inhaftierten Mann Sergej Tichanowski eingesprungen war, stand eine echte Gegenkandidatin aus der Opposition zur Wahl. Doch die Behörden manipulierten grotesk das Wahlergebnis. Angeblich gewann Lukaschenko mit 80,1 Prozent.

Die Folge waren Massenproteste, Hunderttausende waren wochenlang auf den Straßen. Auch mit russischer Hilfe schlug Lukaschenko die Proteste brutal nieder. Nach den Daten des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen sind seit 2020 bis zu 300.000 Menschen aus dem Land geflohen. Laut Menschenrechtsorganisationen gibt es nach wie vor über 1.200 politische Gefangene in Belarus.

Belarus: Lukaschenko fest an Putins Seit

Militärisch, wirtschaftlich und spätestens seit 2020 auch politisch ist Belarus vollkommen von Russland abhängig. Das Land dient der russischen Armee als Aufmarschgebiet. Russische Raketen und Atomsprengköpfe sind dort stationiert. Der Politologe Waleri Karbalewitsch, der im Ausland lebt, hält Belarus für deutlich unfreier als Russland. „Menschen werden festgenommen, weil sie etwa auf ihrem Handy Nachrichten unabhängiger Medien abonnieren“, sagt er. Karbalewitsch erwartet, dass der zuletzt auch von Gesundheitsproblemen geplagte Lukaschenko bis an sein Lebensende an der Macht bleiben will.

Obwohl fest an Putins Seite, versucht Lukaschenko eine Art Balanceakt zwischen Ost und West. Das Land unterliegt den Sanktionen des Westens. Sollten mögliche Friedensverhandlungen den Krieg in der Ukraine beenden, hofft Lukaschenko auf Lockerung und Entspannung. Und gibt sich scheinbar liberal: Seit Juli wurden 250 politische Häftlinge begnadigt. Auch erlaubte er der bekanntesten inhaftierten Oppositionellen, Maria Kolesnikowa, einen Besuch ihres Vaters.

Am Sonntag schließen um 20 Uhr Ortszeit (18 Uhr deutscher Zeit) die Wahllokale. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas bezeichnete die Präsidentenwahl in Belarus als „Scheinwahl“ und „Affront gegen die Demokratie“. Und Oppositionsvertreter im Ausland organisierten eine eigene, satirisch gemeinte „Wahl“ mit eigenen Kandidaten. Passanten in Warschau und anderen Städten konnten wählen: zwischen Lukaschenko und „Beldoge“, einer künstlichen Hundefigur im präsidialen Anzug.