Düsseldorf. Immer mehr Lehrkräfte werden nach medizinischen Gutachten zu Teilzeitkräften. Das Land NRW kommt diese Entwicklung teuer zu stehen.
In NRW hat sich die Zahl der Lehrkräfte, die nur als „teildienstfähig“ gelten, in kurzer Zeit verfünffacht. Von 195 Fällen im Jahr 2020 stieg sie bis 2024 auf 1.067. Das geht aus der Antwort der Landesregierung auf eine FDP-Anfrage hervor, die dieser Redaktion vorab vorliegt.
Die so genannte „begrenzte Dienstfähigkeit“ basiert auf einer amtsärztlichen Überprüfung, die durchgeführt wird, wenn eine Lehrkraft in einem Antrag auf voraussetzungslose Teilzeit gesundheitliche Gründe anführt. NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) erklärt dies in ihrer Antwort so: „Kommt das amtsärztliche Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllt werden können, so kann nach dem Grundsatz Rehabilitation vor Versorgung eine begrenzte Dienstfähigkeit … festgestellt werden.“
FDP-Abgeordnete Müller-Rech spricht von einem „Hilferuf“ der Lehrkräfte
Im Zuge ihres Handlungskonzeptes zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung hat die Landesregierung unter anderem die Teilzeit-Möglichkeiten für Lehrkräfte eingeschränkt. FDP-Schulexpertin Franziska-Müller-Rech erkennt in der steigenden Zahl „teildienstfähiger“ Lehrerinnen und Lehrer einen „Hilferuf“ der Lehrkräfte. „Die Einschränkungen der Teilzeitregelungen zeigen, dass die Ministerin die Belastungssituation offenbar gar nicht erfasst hat – unter Umständen hat sie damit sogar noch mehr Lehrkräfte in die gesundheitliche Teildienstfähigkeit gebracht“, sagte Müller-Rech dieser Redaktion. Das Bildungssystem in NRW gleiche einem Schiff, das auf Grund laufe. Das Konzept für die Unterrichtsversorgung ist nach Einschätzung der FDP-Politikerin „ungeeignet“. Nötig seien weniger Bürokratie, mehr multiprofessionelle Teams in Schulen und zusätzliche Lehrkräfte.
Zuschüsse für „Teildienstfähige“ stiegen von gut einer auf mehr als zehn Millionen Euro
Das Plus an „teildienstfähigen“ Lehrkräften kommt das Land NRW übrigens teuer zu stehen: Teildienstfähige sind nämlich „finanziell vorteilhafter gestellt“ als normale Teilzeit-Lehrer, steht in Fellers Antwort. Im Jahr 2020 erhielten Lehrkräfte mit begrenzter Dienstfähigkeit Zuschüsse in Höhe von 1,14 Millionen Euro. Im Jahr 2024 waren es 10,44 Millionen Euro. Jeder Fall bedeute zusätzliche Kosten und den Ausfall dringend benötigter Lehrkräfte, warnt die Liberale Müller-Rech.
GEW-Landeschefin Celik: „Teilzeit-Einschränkung treibt Beschäftigte in die Krankheit“
Die NRW-Chefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ayla Celik, kommentiert den Trend zu mehr „Teildienstfähigkeit“ so: „Die Einschränkung von Teilzeitmöglichkeiten war und ist kontraproduktiv. Die ohnehin schlechten Arbeitsbedingungen von Lehrkräften werden durch solche Maßnahmen zusätzlich verschärft. Keine Lehrkraft reduziert ohne triftigen Grund ihre Arbeitszeit.“ 2023 und 2024 hätten in NRW mehr als 1600 Lehrkräfte der Schule den Rücken gekehrt. Die Einschränkung der Teilzeit verhindere neue Lehrkräfte und treibe die Beschäftigten aus dem Dienst oder in die Krankheit, so Celik weiter.
Schulministerin Dorothee Feller betont, es gebe in NRW viele Unterstützungsangebote über den betriebsärztlichen Dienst für gesundheitlich angeschlagene Lehrkräfte.
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