Köln. Überall fehlt Personal, obwohl die Zahl der Beschäftigten steigt. Wie geht das? Eine Spur führt zur Luxus-Ausstattung der Regierung.

Die Meinung, dass der Service in Ämtern schon mal besser war, ist weit verbreitet. Inzwischen warnen Menschen in höchsten politischen Ämtern wie Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) davor, dass der Staat an vielen Stellen nicht mehr richtig funktioniere. Mit dieser Feststellung kontrastiert eine aktuelle Studie des Institutes der deutschen Wirtschaft (IW): In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst in NRW nämlich regelrecht explodiert. Warum warten die Leute dann trotzdem so lange in Bürgerbüros, Straßenverkehrsämtern und Ausländerbehörden?

Was hat das Institut herausgefunden?

Im öffentlichen Dienst des Landes NRW arbeiten der Studie zufolge immer mehr Angestellte und Beamte. Im Jahr 2023 hatten Land und Kommunen rund 890.000 Beschäftigte und somit rund 120.000 Beschäftigte mehr als im Jahr 2013. Die Zahlen stammen vom Statistischen Bundesamt. Von dem Zuwachs entfallen zwei Fünftel (48.000 Beschäftigte) auf das Land NRW, drei Fünftel (72.000 Beschäftigte) auf die Kommunen.

Wo ist der Stellenaufbau besonders groß?

Auffällig ist - zumindest prozentual – das Plus im Bereich „politische Führung und zentrale Verwaltung, auswärtige Angelegenheiten“. Die Zahl der dort Beschäftigten stieg laut dem IW in der NRW-Landesverwaltung zwischen 2013 und 2022 um 4.800 (34 Prozent) auf 18.900. Aktuellere Daten gibt es nicht. Damit liegt NRW im Ländervergleich an der Spitze. Im Länderdurchschnitt beträgt der der Stellenaufbau bei den politischen Führungspositionen im genannten Zeitraum „nur“ 21 Prozent.

Björn Kauder, IW-Experte für Finanz- und Steuerpolitik, sagt dazu: „Wir beobachten einen starken Personalzuwachs in höheren Positionen in der Verwaltung, zum Beispiel in den Ministerien. Überall in der Bundesrepublik sind hier viele neue Stellen entstanden, zum Beispiel Referenten-, Abteilungsleiter- und Referatsleiterstellen. NRW liegt bei dieser Entwicklung noch über dem Bundesschnitt. Möglicherweise ist das zum Teil mit dem Wunsch von Regierenden zu erklären, Parteifreunde noch vor einer Wahl mit Posten zu versorgen. Stichwort: Operation Abendsonne.“ Das IW empfiehlt eine „kritische Prüfung“ mit Blick auf die Effizienz dieser Beschäftigten.

Für die Opposition ist der Aufwuchs in der NRW-Ministerialbürokratie seit Jahren ein Ärgernis. Laut einer Antwort der NRW-Landesregierung auf eine Anfrage der SPD stieg die Zahl der Stellen allein in den Ministerien zwischen den Jahren 2017 und 2024 um 1253 auf 6972. In der Staatskanzlei kamen demnach in dieser Zeit 99 Stellen dazu. Der Landtagabgeordnete Stefan Zimkeit (SPD) sagt dazu: „Es war und ist richtig, in einigen Bereichen des Öffentlichen Dienstes zusätzliche Stellen zu schaffen, insbesondere in der Bildung oder im Bereich Sicherheit. Allerdings versäumt es die Landesregierung, diese Stellen auch zu besetzen. Vor allem Eltern bekommen das fast täglich zu spüren, wenn zum Beispiel wieder der Unterricht ausfällt. Worunter der Öffentliche Dienst in NRW aber nicht leidet, ist ein Personalmangel in den Leitungsstäben der Landesministerien – im Gegenteil. Da haben sich sowohl Schwarz-Gelb als auch Schwarz-Grün in den vergangenen Jahren aus dem Füllhorn bedient und vor allem politische Fahrensleute in Stellung gebracht.“

An welchen anderen Stellen sind heute mehr Menschen im öffentlichen Dienst tätig?

Auf Landesebene gab es einen nennenswerten Stellenaufwuchs unter anderem bei der Polizei (plus 13 Prozent), in Grundschulen (plus 16 Prozent) und in Hochschulen (plus 24 Prozent). Auf kommunaler Ebene sind es unter anderem die Krankenhäuser, vor allem aber die Kitas. In der Kinderbetreuung hat es laut dem IW zwischen 2012 und 2021 in Nordrhein-Westfalen einen Personalzuwachs vom 54 Prozent gegeben, auf rund 260.000 Beschäftigte.

Die Zahl der Neueinstellungen bei der Polizei steigt seit Jahren, und die Landesregierung ist stolz darauf. Die Kommunen haben zudem das Personal bei den Ordnungsämtern verstärkt.
Die Zahl der Neueinstellungen bei der Polizei steigt seit Jahren, und die Landesregierung ist stolz darauf. Die Kommunen haben zudem das Personal bei den Ordnungsämtern verstärkt. © Shutterstock / NGCHIYUI | NGCHIYUI

Aber es ist so viel von Personalmangel in Kitas die Rede. Wie ist das zu erklären?

„Auch die Nachfrage nach Betreuung ist deutlich gestiegen, sodass es in den Kitas noch immer Personalnot gibt“, erklärt IW-Experte Kauder. „Der politische Wunsch, die Kinderbetreuung auszuweiten und die Gebühren zu senken, führt zu der gestiegenen Nachfrage.“

Relation Beschäftigte - Einwohner

Im vergangenen Jahr kam NRW laut der IW-Studie auf 15,2 Landesbeamte sowie 12,1 Landesarbeitnehmer pro 1.000 Einwohner. Diese Werte seien niedriger als in den anderen Flächenländern (15,7 und 13,5). Somit sei auch die Gesamtzahl der Landesbeschäftigten pro Einwohner in NRW vergleichsweise niedrig.

Wo ist die Lücke zwischen Nachfrage und Personalangebot noch groß?

Es gibt mehrere Bereiche ohne „markante Personalentwicklung“, obwohl der Arbeitsaufwand gestiegen sei, so das IW. Beispiel Finanzämter: „Wegen der Grundsteuerreform gab es einen enormen Bürokratieaufwuchs in der Finanzverwaltung. Das ist eine politische Entscheidung, bei der womöglich nicht mitgedacht wurde, ob die Bürokratie sie bewältigen kann. Der Personalmangel wird hier sozusagen politisch kreiert“, erklärt Björn Kauder.

Die Beschwerden über einen Personalmangel im öffentlichen Dienst werden daher immer lauter, und sie sind offenbar berechtigt. Der Deutsche Beamtenbund (dbb) sagt zum Beispiel, es fehlten bundesweit gegenwärtig mehr als 570.000 Beschäftigte. Der Bedarf beziehe sich auf fast alle Bereiche und Tätigkeiten, insbesondere auf die Justiz, die Polizei und die kommunalen Ausländerbehörden, erklärt das IW unter Berufung auf den dbb. In NRW werde außerdem in der Kinder- und Jugendhilfe eine Personallücke beklagt.

Gleichzeitig, so kritisieren viele Experten, nutze die Verwaltung die Chancen, die die Digitalisierung ihnen biete, nicht ausreichend.

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