Berlin. Ein Bericht enthüllte den „D-Day“-Plan der FDP. Nun legt die Partei das Papier vor – und erntet Kritik auch aus den eigenen Reihen.

Hat die FDP das Ampel-Aus von langer Hand geplant? Ein Bericht von „Zeit“ und „Süddeutscher Zeitung“ legte wenige Tage nach dem Koalitionsbruch offen, dass die Partei die Koalition am „D-Day“ platzen lassen wollte. Jetzt macht die Partei ihre Exit-Strategie selbst publik. In einem achtseitigen Strategiepapier spielte die FDP-Spitze den idealen Zeitpunkt des Ausstiegs sowie Medienstrategien durch. Zunächst hatte das Portal „Table.Briefings“ berichtet. Nun machte die Partei das Papier selbst öffentlich.

Das detaillierte Papier der FDP bringt die eigene Parteiführung in Erklärungsnot und stößt bei Liberalen auf Kritik. FDP-Präsidiumsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte der Deutschen Presse-Agentur, angesichts der Situation in der Regierung sei es zwar richtig gewesen, sich mit Ausstiegsszenarien auseinanderzusetzen. Aber: „Die Wortwahl ist der Sache nicht dienlich, eine Verschriftlichung mit dieser Tonalität nicht nachvollziehbar.“ Sie forderte Selbstkritik und Aufarbeitung, wie sie später auch noch einmal auf X betonte.

Tatsächlich ist in dem Dokument von den „D-Day Ablaufszenarien und Maßnahmen“ die Rede. Bekannt ist der Tag vor allem in Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg, als am 6. Juni 1944 die Alliierten in der Normandie zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus eintrafen. Die FDP hatte die Verwendung des Begriffs eigentlich bestritten: „Das stimmt nicht. Dieser Begriff ist nicht benutzt worden“, sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am 18. November in einem Interview bei RTL/ntv mit Blick auf damalige Medienberichte. Am Donnerstag bestritt er dann, dass die Führung der Partei informiert gewesen sei. „Das Papier ist auf Ebene der Mitarbeiter entstanden. Niemand aus der Führung der FDP kannte das Papier“, sagte Djir-Sarai der „Welt.“

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FDP wollte „Kernnarrativ“ verbreiten

Das Papier legt die Planung eines „D-Day“ offen – genauso wie die Diskussion über das perfekte Datum für den Ausstieg: „Um sich vom Ereignis der US-Präsidentenwahlen etwas zu entkoppeln, könnte ein Ausstieg zu Beginn der KW 45 (Montag, 4. November) erfolgen“, heißt es in dem Dokument. Unter dem Stichwort „idealer Zeitpunkt“ wurde demnach außerdem erwogen, den Ausstieg zur Mitte der Kalenderwoche 45 erfolgen zu lassen, allerdings sprach dagegen der „ungewisse Ausgang der US-Wahl“. 

Nach der internen Analyse wäre eine Verschiebung nach hinten aber problematisch gewesen, da der Zeitpunkt des Ausstiegs dann mit den Haushaltsverhandlungen und dem Parteitag der Grünen kollidiert hätte. Die Kalenderwoche 45 begann am 4. November. Der Koalitionsbruch erfolgte dann am Abend des 6. November, als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner als Finanzminister entließ.

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Damit schien der Kanzler die Pläne des Koalitionspartners durchkreuzt zu haben: Mit einem „Kernnarrativ“ wollte man die Deutungshoheit über den Bruch der Ampel auf seiner Seite wissen. „Wir machen den Weg frei zu vorgezogenen Neuwahlen“, hätte Lindner am Ende einer Presseerklärung sagen sollen. „Wir fordern alle Demokraten im Bundestag auf, die heute Verantwortung tragen oder zukünftig Verantwortung tragen wollen, mit uns gemeinsam einen geordneten Prozess für vorgezogene Neuwahlen einzuleiten.“ Man gehe dazu nun den ersten Schritt. 

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In FDP-Papier ist von „offener Feldschlacht“ die Rede

Kanäle wie Talkshows und Orte für Pressekonferenzen wurden zur Verbreitung eines „Schlachtrufs“ bereits vorab ausgemacht. „Neben den Worten sind die Bilder der Verkündung entscheidend, diese müssen eine Position der Stärke, Entschlossenheit und Überzeugung ausdrücken“, heißt es weiter. „Die Atmosphäre muss ernsthaft, aber nicht getrieben wirken.“ Der Ablauf wird in einer vierstufigen Pyramide illustriert. Von einem „Impuls“ ausgehend sollte ein Narrativ qualitativ gesetzt und quantitativ verbreitet werden. Phase 4 lautet: „Beginn der offenen Feldschlacht“.

„Wir haben niemals ein Geheimnis daraus gemacht, dass ohne eine Wirtschaftswende ein Ende der Ampel ein möglicher Ausgang des von uns selbst genannten Herbstes der Entscheidungen sein könnte“, verteidigt Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nach der Veröffentlichung das Papier. Die FDP bezeichnet das Dokument als „Arbeitspapier“, das vom Bundesgeschäftsführer der Partei zum ersten Mal am 24. Oktober erstellt worden sei, veröffentlicht nun in der letzten Version vom 5. November.

Kritik kommt auch vom ehemaligen Koalitionspartner: „Die FDP organisiert eine ,Feldschlacht‘ gegen eine Regierung, der man selbst angehört. Es ist gut, dass langsam alles herauskommt und die Bürger sich ein Bild machen können“, so SPD-Chef Lars Klingbeil via X. Bereits vor der Veröffentlichung des Papiers war zwischen Liberalen und Sozialdemokraten eine Deutungshoheit um die Inszenierung des Ampel-Endes ausgebrochen. Lindner hatte Scholz wegen seiner vom Teleprompter abgelesenen Rede eine „Entlassungsinszenierung“ vorgeworfen.

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