Berlin. Die Bundesländer haben beim Thema Fernwärme-Ausbau sehr unterschiedliche Aufgaben vor sich. Ein großes Problem haben aber alle.

Die Frist steht seit vergangenem Jahr: Große Kommunen mit über 100.000 Einwohnern müssen bis 2026 einen Plan vorlegen, wie bei ihnen künftig geheizt werden soll. Kleinere haben ein bisschen mehr Zeit, bis 2028. Und viele Verbraucher hoffen, dass in diesen Plänen dann häufig ein Wort auftaucht: Fernwärme. Denn die Wärme, die aus der Leitung kommt, verspricht einen Weg, für viele Haushalte auf einmal klimafreundliches Heizen möglich zu machen. Statt individuell Gasboiler oder Ölheizungen gegen Wärmepumpen auszutauschen, kann ein ganzes Netz aus erneuerbarer Energie gespeist werden.

Noch allerdings ist das mehr ein Ziel als Realität. Zwar gibt es Fernwärmenetze schon jetzt in allen Bundesländern. Doch die Unterschiede in der Verbreitung sind groß, und die Wärmequellen häufig noch fossil. Eine aktuelle Datenauswertung des WWF zeigt, welche Bundesländer schon jetzt am meisten Fernwärme-Infrastruktur haben, wo es noch kaum Wärmenetze gibt und wie weit in den einzelnen Regionen der Weg noch ist zur klimaneutralen Wärme. Das Papier liegt dieser Redaktion vor.

In absoluten Zahlen ist Nordrhein-Westfalen Spitzenreiter, wenn es um schon existierende Wärmenetze geht: 4996 Kilometer an Rohren liegen dort bereits. Kein Wunder, ist NRW doch das bevölkerungsreichste Bundesland. Dicht besiedelte Regionen wie das Ruhrgebiet eignen sich gut für die Versorgung über Wärmenetze. Bayern auf Platz 2 hat mit 2429 Kilometern weniger als die Hälfte, der Stadtstaat Berlin kommt auf 2028. Ganz unten in der Rangfolge steht Rheinland-Pfalz, wo es gerade einmal 305 Kilometer an Wärmenetzen gibt.

Hohe Anschlussquoten in Ostdeutschland und Stadtstaaten, rote Laterne für Rheinland-Pfalz

Blickt man dagegen auf den Anteil der Haushalte, die schon jetzt über Fernwärme versorgt werden, ändert sich das Bild. An der Spitze steht hier Mecklenburg-Vorpommern, wo 38,1 Prozent der Haushalte schon einen Anschluss haben, dicht gefolgt von Berlin (37,6 Prozent) und Hamburg (32,1 Prozent). Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt direkt danach liegen jeweils knapp unter 30 Prozent. In Thüringen ist immerhin ein Viertel der Haushalte angeschlossen, in Schleswig-Holstein und Bremen jeder fünfte. Das Saarland liegt bei 13,1 Prozent, Nordrhein-Westfalen bei 10,9 Prozent und Bayern bei 10,4 Prozent. Im einstelligen Bereich finden sich Niedersachsen, Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz.

Doch das Vorhandensein von Netzen allein macht noch keine klimafreundliche Wärmeversorgung – in allen 16 Bundesländern wird aktuell noch fossiles Erdgas verbrannt für die Wärmeerzeugung, in nahezu allen außerdem entweder Stein- oder Braunkohle. Nur Thüringen verzichtet vollständig auf Kohle. Dort speist sich die Wärme aus Erdgas, Gas aus Kläranlagen und Biomasse. Im kleineren Umfang kommen in den Ländern Mineralöl und Müllverbrennungsanlagen zum Einsatz.

Das Ergebnis ist eine Wärmeerzeugung, die bisher weit davon entfernt ist, klimaneutral zu sein. Sauberer als eine Gasheizung, die pro erzeugter Kilowattstunde Wärme rund 201 Gramm Kohlenstoffdioxid ausstößt, war die Fernwärme laut WWF-Auswertung 2023 in keinem Bundesland. Das Saarland kam dem mit einem Emissionsfaktor von 239 Gramm pro Kilowattstunde noch am nächsten und liegt damit zumindest unter den üblichen Emissionen einer Ölheizung (266 Gramm). Der Durchschnitt liegt bei 330,4 Gramm.

In der Hansestadt Bremen dagegen fielen 474 Gramm CO2-Äquivalente für jede erzeugte Kilowattstunde Wärme an. Pro Jahr und Verbraucher sind das 3,2 Tonnen CO2, die sich durch die Fernwärmenutzung ansammeln. Im Schnitt aller Bundesländer sind es 2,23 Tonnen pro Jahr. Am geringsten war die Menge in Bayern (1,86 Tonnen CO2-Äquivalente) und im Saarland (1,62 Tonnen).

Fernwärme klimaneutral: Großwärmepumpen und Geothermie sind eine Möglichkeit

WWF-Experte Sebastian Breer sieht deshalb auf die Betreiber der Wärmenetze große Aufgaben für die Zukunft zukommen. „Fernwärme ist eine legitime und gute Option, langfristig Wärmeversorgung klimaneutral zu machen“, sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion. „Aber noch ist da eine Menge Arbeit zu tun, bis sie wirklich einen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Auch die Fernwärme muss sich transformieren.“

Viele Kommunen und Stadtwerke hätten sich da inzwischen auf den Weg gemacht und suchten nach Möglichkeiten, ihre Fernwärme von Kohle, Öl und Gas unabhängig zu machen, sagt er. Das Gebäudeenergiegesetz und das Wärmeplanungsgesetz, die die Ampel-Koalition im vergangenen Jahr verabschiedet hatte, hätten da „eine große Dynamik ausgelöst“.

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Und auch wenn sie bisher nur punktuell zum Einsatz kommen: Die Lösungen, wie Fernwärme klimaneutral werden könne, lägen auf dem Tisch, sagt Breer. Großwärmepumpen etwa, die im Kern genauso funktionieren wie die kleinen, die bei Einfamilienhäusern zum Einsatz kommen, aber viel mehr Wohnungen heizen können, oder Geothermie, die Wärme aus der Erde nutzt. Auch Abwärme von Industrieprozessen ist eine Möglichkeit, Wärmenetze umzustellen. „Die Komplexität besteht darin, sich die Potenziale vor Ort anzuschauen und herauszufinden, was dort am besten funktioniert“, sagt Breer. „Die Antwort ist im Ruhrgebiet sicherlich eine andere als in kleineren Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern.“

Viele Kommunen hätten außerdem Interesse an Biomethan oder Wasserstoff als Energieträger für die Fernwärme, sagt der WWF-Experte. Die Umweltorganisation mahnt an dieser Stelle aber zur Vorsicht: Beide Gase würden künftig knapp sein und vor allem dort eingesetzt werden, werden wo es keine Alternativen gibt. „Wenn man da jetzt etwa voll auf Wasserstoff setzt, kann das sehr teuer werden für Kunden“, sagt Breer. Wenn es nicht sogar die Umstellung deutlich verzögert.