Düsseldorf. Die vorgezogene Bundestagswahl raubt Stadtverwaltungen und Parteien über Nacht sechs Monate Vorbereitungszeit. Was macht das mit ihnen?

Die vorgezogene Bundestagswahl setzt Parteien und Kommunalverwaltungen in NRW unter Stress. Unmittelbar nach der Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), am 15. Januar 2025 im Bundestag die Vertrauensfrage stellen zu wollen und damit den Weg für eine vorzeitige Abstimmung zu ebnen, wird in vielen Amtsstuben geplant und gerechnet.

Wahlverzeichnisse müssen aktualisiert, Tausende Wahlhelfer organisiert und Wahllokale reserviert werden. Die Fristen für Wahlvorschläge, den Druck und Versand von Wahlbenachrichtigungen können jedoch erst berechnet werden, wenn der Tag des Urnengangs feststeht. Bleibt es beim Scholz-Plan für Neuwahlen im Frühjahr, sei „unser Vorbereitungszeitraum um ungefähr sechs Monate verkürzt“, hieß es am Freitag aus einer Kreisverwaltung.

Stadtverwaltungen in NRW werden Neuwahlpläne stemmen können

Es könnte aber noch knapper werden. Eigentlich sollte am 28. September der neue Bundestag gewählt werden, zusammen mit den vielerorts wohl notwendigen Bürgermeister-Stichentscheiden als Nachklapp zur Kommunalwahl vom 14. September. Die Union im Bundestag will jedoch den für sie günstigen Moment des Ampel-Scheiterns und ihrer vergleichsweise günstigen Umfragelage nutzen und Scholz zu einer deutlich früheren Vertrauensfrage drängen. Am besten schon nächste Woche. Dann würde schon im Januar gewählt.

Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetages NRW, machte am Freitag deutlich, dass die Terminfindung an den Verwaltungen nicht scheitern werde. Wahlen zu organisieren sei für die Städte immer mit Aufwand verbunden, sagte Dedy unserer Redaktion. „Das gilt natürlich besonders dann, wenn die Vorlaufzeiten knapper sind. Das kennen die Städte aber und werden mit viel Engagement zum Gelingen beitragen.“

In den Stadtverwaltungen hofft mancher jedoch, dass nicht ausgerechnet über Weihnachten eine Bundestagswahl organisiert werden muss. Zumal sich das dann alle vier Jahre wiederholen würde - sofern die nächste Bundesregierung nicht wieder vor Ende der Legislaturperiode zerbrechen sollte. Bislang geht man in den meisten NRW-Städten offenbar von einem Urnengang Ende März aus.

NRW-Parteien: Noch nicht alle Wahlkreiskandidaten sind nominiert

Der Kanzler muss schließlich formal nichts darauf geben, dass die Opposition ihn als „Klebe-Olaf“ und politischen Insolvenzverschlepper verhöhnt. Das Grundgesetz sieht allein ihn bei der Vertrauensfrage am Zug. Wer sich in den vergangenen Tagen in der NRW-SPD umhörte, spürte schnell das taktische Kalkül dahinter: Mit den Insignien des Amtes und ohne querschießende FDP will Scholz offenbar die Merz-CDU moralisch in die Pflicht nehmen, aus „staatspolitischer Verantwortung“ einigen Vorhaben der rot-grünen Minderheitsregierung noch bis zum Jahresende zuzustimmen.

Wie sich de Dynamik der öffentlichen Debatte entwickelt, ist aber auch für die Parteistrategen in Düsseldorf schwer abzuschätzen. Wird die rot-grüne Rumpfregierung Druck aufbauen können, Merz zur Zusammenarbeit bei wichtigen Vorhaben wie Industriehilfen, steuerlicher Entlastung für die Mittelschicht, Rüstung oder Kindergelderhöhung zu zwingen?

Von diesem parlamentarischen Aufwärmprogramm hängt wohl auch der Erfolg der Scholz-Strategie im einst roten Ruhrgebiet ab, das für die SPD wahlentscheidend sein wird. Gelingt es den Genossen wirklich, den Kanzlerkandidaten der Union als kalten Vertreter der Hochfinanz mit Privatflugzeug und einem Herz aus Blackrock zu karikieren? Den Versuch dürfte es geben, da macht sich niemand in der NRW-CDU Illusionen.

Merz wird die Landesliste der NRW-CDU anführen

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hat längst eine Gegenerzählung parat vom Scholz, der sein Scheitern nicht einsehen will: „Die CDU Nordrhein-Westfalen ist für vorgezogene Bundestagswahlen personell, organisatorisch und inhaltlich top aufgestellt. In einer Demokratie darf ein Bundeskanzler keine Angst vor Neuwahlen haben. Deutschland hat eine neue Chance verdient, nicht die SPD“, sagte Ziemiak unserer Redaktion.

Paul Ziemiak, Generalsekretär der NRW-CDU, sieht seinen Landesverband top vorbereitet für vorgezogene Bundestagswahlen.
Paul Ziemiak, Generalsekretär der NRW-CDU, sieht seinen Landesverband top vorbereitet für vorgezogene Bundestagswahlen. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

Auf die Möglichkeit vorgezogener Neuwahlen waren zwar alle Parteizentralen gefasst. Doch noch nicht alle Wahlkreiskandidaten konnten bislang bestimmt werden. Bei der CDU fallen die letzten Personalentscheidungen in den kommenden Wochen. Ein Listenparteitag, der den im Sauerland direkt kandidierenden Friedrich Merz als Spitzenkandidaten feiert, soll in den nächsten Tagen konkret geplant werden.

Bei der NRW-SPD sind in rund einem Drittel der Wahlkreise die Direktkandidierenden bereits aufgestellt, in einem weiteren Drittel erfolgt die Aufstellung im Laufe des Novembers. Bis Anfang 2025 sollen alle Personalien geklärt sein. Bislang war die Landesdelegiertenkonferenz für den 11. Mai 2025 angesetzt und soll nun in die ersten Wochen des neuen Jahres vorverlegt werden.

„Das Johannes-Rau-Haus befindet sich ab sofort im Wahlkampfmodus“, erklärte SPD-Generalsekretär Frederick Cordes, „wir sind vorbereitet und freuen uns auf die anstehende Wahlauseinandersetzung.“