Berlin. Die Jagdszenen von Amsterdam sind ein Armutszeugnis – nicht nur für den Sicherheitsapparat. Und sie werfen viele Fragen auf.
Verzweifelt versuchten am Freitag Israelis, die Stadt zu verlassen, in der einst Anne Frank verraten worden war. Doch ihre Verfolger stellten ihnen sogar noch in ihren Hotels nach. Jagdszenen auf Juden mitten in Europa – und das am Tag vor dem 9. November, der Reichspogromnacht. In der Nacht zum Freitag war die Verfolgung begleitet von Rufen wie „Free Palestine“ und arabischen Schimpfworten und Flüchen. Es ist schier unerträglich.
Israels Staatspräsident Izchak Herzog sprach von einem antisemitischen Pogrom, das sich gegen Fans von Maccabi Tel Aviv und israelische Bürger im Herzen von Amsterdam richtete. Die Lage war so dramatisch, dass die staatliche Fluggesellschaft El Al, die sonst am jüdischen Schabbat nicht fliegt, am Freitag Rettungsflüge nach Amsterdam unternahm. „Vermeiden Sie Bewegungen auf der Straße und schließen Sie sich in Hotelzimmern ein“, warnte Israels Nationaler Sicherheitsrat für die gesamten Niederlande.
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Es ist das Eingeständnis eines beschämenden Versagens: Juden und Israelis können sich in Westeuropa nicht mehr sicher fühlen – nicht einmal mehr beim Fußball in einer Stadt und einem Land, das stolz auf seine Toleranz und Weltoffenheit ist. Der niederländische König Willem-Alexander war entsetzt, als er am Freitag Präsident Herzog anrief und sagte: „Wir haben die jüdische Gemeinschaft der Niederlande im Zweiten Weltkrieg im Stich gelassen. Und letzte Nacht haben wir sie erneut im Stich gelassen.“
Es gibt Hinweise, dass es keine spontane Explosion des Unmuts war, sondern eine geplante Aktion. Doch noch ist nichts bewiesen. Augenzeugen berichten von viel zu wenig Polizei auf den Straßen und beklagen kriegsähnliche Szenen. Dabei war man gewarnt: Bereits im März hatte nur die Eröffnung eines neuen Holocaust-Museums in Amsterdam durch Präsident Herzog zu gewalttätigen Protesten von propalästinensischen Aktivisten geführt.
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Fest steht: Es waren keine Krawalle unter Fans, wie es sie auch unter israelischen Vereinen gibt und die vor und nach Fußballspielen inzwischen leider schon wenig überraschen. Aber auch diesmal scheint sich die Stimmung hochgeschaukelt zu haben. Es kursieren Videos, auf denen Anhänger von Maccabi Tel Aviv mit antiarabischen und verächtlichen Slogans zu hören sind. Der Klub ist für seine extremistischen und auch gewaltbereiten Fans durchaus bekannt. Doch das, was sich auf den Straßen von Amsterdam abgespielt hat, sprengt jeden Rahmen.
Das ist kein Protest gegen den Gaza-Krieg oder ein Aufruf zu einem Boykott israelischer Fußballmannschaften: Ein Mob jagte Israelis durch die Straßen und prügelte selbst auf verletzt auf der Straße Liegende ein, nur weil sie Israelis sind. Einige teilten Videos ihrer Attacken sogar stolz in den sozialen Medien.
Juden und Israelis werden in Sippenhaft genommen für eine Politik, die sie oft selbst ablehnen
Das Entsetzen über die antijüdische Gewalt in Amsterdam ist groß. Aber was dort geschehen ist, reiht sich leider ein in eine lange unerträgliche Reihe ähnlicher Vorfälle in Westeuropa und den USA. Juden und Israelis werden in Sippenhaft genommen für eine Politik im Nahen Osten, die sie oft selbst ablehnen. Israelische Wissenschaftler werden nicht mehr zu Vorträgen und Konzerten eingeladen, israelische Künstler erhalten keine Engagements mehr. Selbst Veranstaltungen zu jüdischen und israelischen Themen brauchen Polizeischutz.
Es ist ein Armutszeugnis, dass wir in Deutschland und Europa Menschen schützen müssen, die Hebräisch sprechen, als Juden erkennbar sind oder für solche gehalten werden. Noch schlimmer ist es aber, dass wir offensichtlich nicht einmal dazu in der Lage sind.
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