Berlin. Der Generalbundesanwalt nimmt acht Männer fest. Sie sollen für einen „Tag X“ trainiert und mit Waffengewalt einen NS-Staat geplant haben.
Einer der am Morgen festgenommenen Rechtsextremisten soll Polizisten mit einer Waffe bedroht und wurde anschließend durch einen Schuss am Kiefer verletzt. Wie mehrere Medien übereinstimmend berichten, sollen bei der Verhaftung des AfD-Politiker Kurt H. im sächsischen Grimma Schüsse gefallen sein. Dabei wurde H. von einem Projektil getroffen und sank anschließend mit einer Wunde im Kieferbereich zu Boden. Ob es sich um einen Schuss aus einer Polizeiwaffe oder H.s eigener Waffe handelt, wird derzeit untersucht. H. wurden von den Beamten in die Uniklinik Leipzig gebracht und dort notoperiert. Lebensgefahr bestand nicht.
H. ist auf der Liste des Generalbundesanwalts besonders brisant. Er ist Mitglied der Alternative für Deutschland (AfD) und sitzt in einem sächsischen Stadtrat. Auch für die Jugendorganisation der AfD soll H. prominent aktiv sein. Nun steht er unter Terrorismusverdacht.
Die Polizei nahm am Dienstagmorgen acht Personen fest, alle zur gleichen Zeit, darunter Kurt H. Die Ermittler durchsuchten rund 20 Objekte in Leipzig, Dresden und im Landkreis Meißen. Einer der Tatverdächtigen wurde in Polen festgenommen. Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe ermittelt. Der Vorwurf: Gründung einer rechtsextremen terroristischen Vereinigung.
Rädelsführer ist nach Einschätzung der Bundesanwälte Jörg S., ein junger Mann aus der sächsischen Kleinstadt Brandis. Was den Sicherheitsbehörden auffällt: Einige Mitglieder der Gruppierung sind sehr jung. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, erklärt: „Bei zentralen Protagonisten dieser Gruppierung handelt es sich um teils sehr junge Rechtsextremisten, die Bezüge zu einer insbesondere im virtuellen Raum aktiven Szene aufweisen.“
Die Tatverdächtigen sollen Verbindungen zu rechtsextremen Parteien haben, aber auch zur Szene der sogenannten Neuen Rechten. Die Tatverdächtigen sind jung, ihre Pläne nimmt die Generalbundesanwaltschaft dennoch sehr ernst.
Die Gruppe bezeichnete sich als „Sächsische Separatisten“, kurz SS
Zur Gruppe gehören 15 bis 20 Personen, sie sollen spätestens im November 2020 eine Vereinigung gegründet haben, die sie selbst als „Sächsische Separatisten“ bezeichnet haben. Der Name dürfte kein Zufall sein: Das Kürzel SS stand im Nationalsozialismus für die „Schutzstaffel“.
Das Selbstverständnis der Gruppierung ist laut Staatsanwaltschaft: militant, rassistisch und antisemitisch, gespeist mit einer tiefen Ablehnung des liberalen Rechtsstaats. Auch „apokalyptische Vorstellungen“ soll es unter den Tatverdächtigen gegeben haben. Der Tenor: Deutschland steht vor dem „Kollaps“.
Auch die „Sächsischen Separatisten“ sollen laut Ermittler von einem „Tag X“ gesprochen haben – ein Tag, an dem der Staat „zusammenbricht“. Es ist ein bekanntes Narrativ in der rechtsextremen Szene. Die Staatsanwaltschaft schreibt: „Bei dieser Gelegenheit möchte die Gruppierung mit Waffengewalt Gebiete in Sachsen und gegebenenfalls auch in anderen ostdeutschen Ländern erobern, um dort ein am Nationalsozialismus ausgerichtetes Staats- und Gesellschaftswesen zu errichten.“ Wer in der rassistischen Ideologie nicht zu diesem NS-Staat gehört, soll „notfalls durch ethnische Säuberungen aus der Gegend entfernt werden“, so die Strafverfolgungsbehörde.
Auch interessant
Wie konkret die Pläne für den „Tag X“ waren, ist noch unklar. Was die Ermittler aber herausgefunden haben wollen: Die Gruppe trainierte bereits für diesen „Umsturz“, übte mit Kampfausrüstung, absolvierte „Gewaltmärsche“ – und trainierte das Schießen. Diese Vorbereitungen für einen „Tag X“ durch Training, auch im Ausland, sind in Teilen der militanten rechtsextremen Szene weit verbreitet. Immer wieder warnen Fachleute vor der hohen Dichte an Schusswaffen, die Neonazis besitzen. Eine Entwaffnung der Szene forciert die Politik seit mehreren Jahren. Doch der aktuelle Fall zeigt: Die Sicherheitsbehörden stoßen immer wieder auf bewaffnete und gewaltbereite Gruppierungen.