Düsseldorf. Die CDU-Landtagsfraktion will NRW zur führenden Adresse für KI-Anwendungen machen. Ein Strategiepapier birgt einige Überraschungen.

Der Titel des Papiers klingt vollmundig: „KI made in NRW: Wir machen Nordrhein-Westfalen zur führenden Digitalregion in Europa“. Die CDU-Landtagsfraktion hat bei einer Klausurtagung zu Wochenbeginn in Essen eine elfseitige Erklärung beschlossen, die Richtschnur werden soll für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz.

„Wir haben das Knowhow, die Infrastruktur und eine riesige Innovationskraft. Es gibt keinen Bereich, der nicht von Künstlicher Intelligenz profitieren kann“, erklärte Fraktionschef Thorsten Schick am Dienstag. Der Versuch, Chancen und Risiken der Technologie einmal systematisch mit der landespolitischen Brille zu betrachten, war zuletzt immer dringlicher geworden.

Zu Jahresbeginn hatte der US-Konzern Microsoft für NRW die größte Deutschland-Investition der Firmengeschichte angekündigt. Auf den Brachen im Rheinischen Braunkohlerevier zwischen Köln und Mönchengladbach sollen riesige Rechenzentren entstehen. Weltweit werden gerade 500 solcher Speicherkapazitäten aufgebaut.

Sie sind die Voraussetzung für komplexe KI-Anwendungen der Zukunft und brauchen viel Platz und Strom. Da die alten NRW-Braunkohlegebiete geografisch günstig an den großen europäischen Netzknotenpunkten mit vielen potenziellen Nutzern liegen, steckt Microsoft rund drei Milliarden Euro in die Ansiedlung. Das Unternehmen will im globalen KI-Konkurrenzkampf seine Technik möglichst früh vor allem an Mittelständler, die öffentliche Verwaltung und Privatleute verkaufen.

Microsoft investiert Milliarden in neue Rechenzentren in NRW

Für die schwarz-grüne Landesregierung ist die Investitionsentscheidung eine glückliche Fügung, die von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) immerzu als Beleg für Attraktivität und Fortschrittlichkeit des Standorts NRW herangezogen wird. „Von der Kohle zur KI“, lautet sein Werbespruch, den er im Frühjahr sogar bei einem Ortstermin im Microsoft-Hauptquartier an der US-Westküste zitierte. Dort wurden Wüst allerhand Spielereien mit der Microsoft-Anwendung „Copilot“ vorgeführt.

Doch was kann die öffentliche Hand selbst mit KI wirklich besser machen? Und wo sind ethische Grenzen? Die CDU-Landtagsfraktion will eine Enquete-Kommission einsetzen, die alle Facetten im Umgang mit KI beleuchtet und Handlungsempfehlungen erarbeitet. In der „Essener Erklärung“ blitzen aber zumindest schon mal einige denkbare Neuerungen auf.

Bekannt war, dass Künstliche Intelligenz die Polizeiarbeit etwa bei der Auswertung von Bilddateien deutlich beschleunigen kann. Auch der Einsatz im Gesundheitswesen ist längst kein Geheimnis mehr. Das „smart hospital“ am Universitätsklinikum Essen gilt als Vorbild für den Einsatz von KI-gestützten Lösungen im stationären Bereich und wird bereits vom Land gefördert.

Doch die CDU kann sich Künstliche Intelligenz auch dort vorstellen, wo man sie zunächst nicht vermutet. „Aktuelle Erhebungen zeigen, dass ein Ausbau von KI in der Kindertagesbetreuung die Lücke an Fachkräften maßgeblich zu schließen vermag“, heißt es in der Erklärung. Die große Chance liege darin, Fachkräfte zu entlasten, damit diese mehr Zeit für die direkte Arbeit mit Kindern hätten. Die KI könne Angebote verfassen, Lernfortschritte dokumentieren oder Sprachbarrieren im Kita-Alltag abbauen.

Auch auf den Ämtern könnte sich einiges ändern. „Für die Bauaufsichten können wir uns eine automatisierte Bearbeitung vorstellen, bei der die eingereichten Pläne und Nachweise in weiten Teilen ohne menschliches Zutun auf Vollständigkeit und Übereinstimmung mit den geltenden Vorschriften geprüft werden“, so die CDU-Landtagsfraktion. Genehmigungen sollen schneller erfolgen, wenn Kollege KI übernimmt. Auch die Bauausführung oder Instandsetzungserfordernisse könnten im Handumdrehen anhand von Bildaufnahmen abgeglichen werden.

NRW will Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Angebote

Geht es nach der Wüst-CDU, ist auch die Rechtsprechung vor der neuen Technologie nicht mehr sicher. „KI kann Richterinnen und Richter bei der Strafzumessung und der Festlegung von Schmerzensgeldhöhen unterstützen, indem es zur Analyse von Urteilen und zur Bereitstellung von Durchschnittswerten eingesetzt wird“, heißt es in dem Papier.

Zu blinder Technikeuphorie will sich die Landtagsfraktion dennoch nicht hinreißen lassen. Noch ist unklar, wie die Innovationen bei Hard- und Software in den Amtstuben überhaupt finanziert werden sollen. Zudem macht man sich Gedanken über ethische Grenzen. „Schließlich verarbeiten KI-Systeme Unmengen an Daten, die angemessen vor Missbrauch geschützt werden müssen“, so die CDU.

Auch der digitale Raubzug durchs geistige Eigentum bleibt ein Problem, das längst nicht gelöst ist. KI könne Werke erzeugen, die urheberrechtlich geschützten Werken stark ähneln und daher kaum von diesen zu unterscheiden seien, weiß man in Schicks Fraktion. Deshalb soll NRW auf allen Ebenen für juristisch wasserdichte Lösungen kämpfen: „Wir fordern eine Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Angebote und Produkte, damit jederzeit transparent nachvollziehbar ist, ob oder in welchem Umfang KI bei der Entstehung von Angeboten und Produkten verwendet wurde.“