Düsseldorf. Bis 2030 will NRW aus der Braunkohle aussteigen. Die Unternehmer im Land bezweifeln, dass das klappt. Es gebe aber eine letzte Chance.
Der Präsident des Dachverbandes der Unternehmensverbände in NRW, Arndt G. Kirchhoff, erwartet von der schwarz-grünen Landesregierung in der zweiten Hälfte ihrer Regierungszeit mehr Engagement für die leidende Wirtschaft. Eindringlich warnte er vor einem möglichen Scheitern des geplanten Braunkohle-Ausstieges bis 2030.
Reserve-Kraftwerke nicht in Sicht: „Möglicherweise ist es schon zu spät“
„Mit Blick auf die Energiewende brauchen wir dringend schnell laufende Reserve-Gaskraftwerke, denn der frühe Kohleausstieg wird ohne verlässliche Energieversorgung zunehmend unrealistisch. Möglicherweise ist es schon zu spät“, sagte der Chef von Unternehmer.NRW am Donnerstag im Landtag. Die Planungs- und Genehmigungsverfahren seien zu lang, und der anschließende Bau eines Kraftwerks dauere bis zu fünf Jahre. Das Land müsse schnell in Verhandlungen mit potenziellen Kraftwerks-Investoren einsteigen.
Wie lautet die Bilanz nach zweieinhalb Jahren Schwarz-Grün in NRW aus der Sicht dieser Redaktion: Lesen Sie hier, welche Versprechen die Regierung bisher gehalten hat.
Droht dem Industrieland NRW eine De-Industrialisierung?
Die Lage der NRW-Wirtschaft bezeichnete Kirchhoff als „außerordentlich ernst“. Es drohe eine De-Industrialisierung, die nur durch einen „wirtschaftspolitischen Befreiungsschlag“ gestoppt werden könne. Drei Punkte stehen oben auf der Forderungs-Liste der Unternehmen für Schwarz-Grün: Erstens der Verzicht auf neue „Belastungen“, zum Beispiel durch ein Tariftreue- und Vergabegesetz. Zweitens: schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Drittens: Landeminister Oliver Krischer (Grüne) müsse in der von ihm verantworteten Verkehrspolitik „die Handbremse lösen“.
Ohne „Sanierung, Modernisierung und Ausbau“ werde es nicht gelingen, Straßen und Brücken auf ein zeitgemäßes Level zu heben. Krischers Prämisse „Erhalt vor Ausbau“ führe nicht zum Ziel. NRW müsse auch die vorhandenen Lücken im Straßennetz schließen. „Weniger Stau ist auch mehr Klimaschutz“, so Kirchhoff.
„Wohltuender Gegensatz zur Ampel“: Unternehmer loben die bisherige Wirtschaftspolitik von Schwarz-Grün
Alles in allem ist der Unternehmer-Verband mit der bisherigen Arbeit der Regierung von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) zufrieden. Sie habe die Wirtschaft – im „wohltuenden Gegensatz“ zur Ampel in Berlin – bisher weitgehend mit Belastungen verschont.
Nun sei aber angesichts der Krise mehr Tempo erforderlich. Die Unternehmer erwarten von Schwarz-Grün in der zweiten Halbzeit „mehr Zug zum Tor“. Neue Abgaben und Steuern und sowie das Festhalten an komplizierten Vorgaben wären gerade jetzt fatale Signale.
Tariftreuegesetz bleibt umstritten. Für die Gewerkschaften bleibt es ein Herzensanliegen
Das von den Arbeitgebern geschmähte Tariftreue- und Vergabegesetz gehört in NRW zu den wichtigsten Forderungen der Gewerkschaften. Die DGB-Landesvorsitzende Anja Weber hält die Bevorzugung von tarifgebundenen Firmen bei öffentlichen Aufträgen für erforderlich, um den Verfall der Tarifbindung zu stoppen. Auch Schwarz-Grün hat sich im Koalitionsvertrag für mehr Tarifbindung ausgesprochen. Aus der Sicht von Arndt G. Kirchhoff ist das unnötig und kontraproduktiv. Es reiche, die Arbeits-Standards einzuhalten, zum Beispiel bei der Arbeitszeit und bei den Löhnen.
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