Düsseldorf. „Niemandem wird etwas weggenommen“, beteuert Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU). Aber ist das wirklich so?
NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) hat die Kritik an der neuen Berechnungsmethode für die Beamtenbesoldung in NRW zurückgewiesen.
„Das ist eine Anpassung an die Lebenswirklichkeit und das Familienbild des 21. Jahrhunderts“, sagte Optendrenk dieser Redaktion. Die Kritik des Deutschen Beamtenbundes, des Deutschen Gewerkschaftsbundes und anderer Beobachter entzündet sich an dem Vorhaben, künftig nicht mehr die Alleinverdiener-Familie für die Berechnung eines Netto-Mindesteinkommens von Beamtinnen und Beamten heranzuziehen. Stattdessen soll ein fiktives „Ehegatteneinkommen“ unterstellt werden. Beamtinnen und Beamte, die dieses zusätzliche Familieneinkommen gar nicht haben, müssen in manchen Fällen eine höhere Alimentation extra beantragen.
Ein Beamter ernährt als Alleinverdiener Frau und Kinder -- Ein Familienbild aus der Vergangenheit?
Für die Landesregierung ist diese Umstellung folgerichtig. Denn die Zeiten, in denen Beamte als Alleinverdienende mit staatlicher Alimentation eine Familie ernähren müssten, seien schon lange vorbei. Normal sei heute in Beamten- und in anderen Familien, dass jeder Partner ein eigenes Einkommen habe.
Die Reformpläne kreisen um ein Problem, das sich für Beamte mit niedrigen Einkommen auftun könnte: Zwar wird die Besoldung der Staatsdiener schon seit Jahren verlässlich 1:1 an den Tarifvertrag für Landesbeschäftigte angeglichen. Allerdings sind Sozialleistungen wie Bürger-, Wohn- und Kindergeld zuletzt relativ stärker gestiegen als die Löhne. Die Folge: Der Abstand beim Einkommen zwischen sehr niedrig besoldeten Beamten und Empfängern von Sozialleistungen könnte „zu gering“ werden, obwohl das Bundesverfassungsgericht einen angemessenen Abstand vorgeschrieben hat. Ein fiktives zusätzliches Einkommen stellt zumindest auf dem Papier den gebotenen Abstand her. Dieses fiktive Einkommen soll in NRW die Höhe der Bezahlung eines Minijobs ausmachen. Das sind aktuell 538 Euro im Monat.
Antragsteller bekommen „im Einzelfall“ zusätzliches Geld
„Es wird niemandem etwas weggenommen, sondern es kann durch einen Antrag geprüft werden, ob den Beamtinnen und Beamten im Einzelfall zusätzliches Geld über die 1:1-Umsetzung des Tarifvertrages hinaus zusteht“, erklärt Minister Optendrenk.
Von den mehr als 250.000 Landesbeamten würden nur „sehr wenige“ überhaupt vor die Situation gestellt werden, einen Antrag stellen zu müssen, beteuert die Landesregierung. 13 von 16 Bundesländern sowie der Bund bereiteten eine vergleichbare Berechnungsmethode für die Beamtenbesoldung vor oder praktizierten sie bereits. NRW mache also etwas, was zum Beispiel in Bayern und Rheinland-Pfalz längst eingeführt sei. Das neue Verfahren führe zwar zu etwas mehr Bürokratie, sichere aber die Qualität der Besoldung.
„Das ist ein hochproblematischer Taschenspielertrick“, warnt Ralf Witzel (FDP)
Die Kritiker der Reform beeindrucken diese Argumente nicht. „Die automatische Reduzierung der Beamtenbesoldung um ein fiktiv unterstelltes Partnereinkommen ist ein verfassungsrechtlich hoch problematischer Taschenspielertrick“, sagte FDP-Landtagsfraktionsvize Ralf Witzel dieser Redaktion. „Permanente Anträge von Betroffenen zur Überprüfung der Angemessenheit ihrer Alimentation sind ein Bürokratiemonster und sorgen für berufliche Demotivation.“
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatte in einer Stellungnahme für den Landtag von einem „Rechentrick“ gesprochen, mit dem das Beamteneinkommen künstlich größer gemacht werde. Verfassungsrechtlich muss das Netto einer Beamtenfamilie um mindestens 15 Prozent höher sein als das einer Familie, die staatliche Sozialleistungen bezieht. Wenn das Land also bei Beamten der unteren Besoldungsgruppen einfach mit einrechnet, dass ein Ehepartner auch noch Geld verdienen könnte, ist der gebotene Mindestabstand zu Bürgergeld-Beziehern leichter herzustellen.
So argumentiert der Beamtenbund
Der 1. Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes (DBB) in NRW, Roland Staude, meint: „Das Gesetz wird sich in seinem gegenwärtigen Entwurf als eine Mogelpackung für die Beamtinnen und Beamten des Landes NRW erweisen. Die angekündigte 1:1-Übertragung des im Dezember 2023 erreichten Tarifvertrages für die Landesbeschäftigten in den Beamtenbereich, könnte sich als Sparmaßnahme mittels einer Besoldungsstrukturreform entpuppen.“
Der Gesetzentwurf enthalte tiefgreifende Änderungen zur Bemessung der amtsangemessenen Alimentation, so dass man fast schon von einer „Besoldungsstrukturreform“ sprechen könne, die der DBB NRW ablehne. Das betreffe die Berücksichtigung eines fiktiven Partnereinkommens als ‚Modernisierung‘.
„Praktisch soll dies so geschehen, dass durch die Einführung eines Partnereinkommens die Bezugsgröße für die Bemessung der Alimentation aufgegeben wird. Ab 2024 soll generell davon ausgegangen werden, dass die Ehegattin, der Ehegatte, die nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz eingetragene Lebenspartnerin oder der Lebenspartner der Beamtin oder des Beamten über ein eigenes monatliches Nettoeinkommen zunächst in mindestens der Höhe der Geringfügigkeitsgrenze für eine geringfügige Beschäftigung verfügt, mit welchem sie oder er zum Unterhalt der gesamten Familie beiträgt. Dieses Partnereinkommen soll dann bei der Bemessung des zwingend einzuhaltenden Abstandsgebots zwischen der Nettoalimentation und dem Grundsicherungsniveau einbezogen werden“, erklärt der DBB.
Das fiktiv angenommene Partnereinkommen solle also die Nettobesoldung erhöhen, um einen verfassungsgemäßen Abstand zum Grundsicherungsniveau herzustellen. „Unter dem Deckmantel einer ‚Modernisierung‘ will der Gesetzgeber nunmehr das Abstandsgebot aushebeln, indem er Einkünfte bei der Ermittlung der Höhe der Nettobesoldung berücksichtigt, die in keinem Zusammenhang oder Kontext mit der Besoldung stehen. Dies können wir als DBB NRW nicht mittragen und halten dies auch für verfassungsrechtlich problematisch“, so Staude.
Auch der Beamtenbund (DBB) reagierte zuletzt empört: „Mit dieser Änderung wird die Bemessung der Besoldung, so wie sie traditionell erfolgt ist, in seinen Grundfesten und in seinem Fundament geändert.“