Düsseldorf. Erstmals wird in NRW nicht mehr die Alleinverdiener-Familie als Bezugsgröße für die Berechnung des Mindest-Netto herhalten. Mit Folgen.
Trotz harscher Kritik hält die Landesregierung an einer neuen Berechnungsmethode für die Beamtenbesoldung in NRW fest. Die Fraktionen von CDU und Grünen verhalfen der umstrittenen Gesetzesreform am Freitag in den Fachausschüssen des Landtags zur Mehrheit. Spitzenvertreter der Landesregierung verweigerten dabei die Beantwortung von bohrenden Nachfragen aus den Reihen der Opposition - was den parlamentarischen Gepflogenheiten eigentlich nicht entspricht.
Ab diesem Jahr wird damit erstmals nicht mehr die Alleinverdiener-Familie als Bezugsgröße für die Berechnung eines Netto-Mindesteinkommens von Staatsdienern herhalten. Stattdessen wird ein fiktives „Partnereinkommen“ unterstellt und die Besoldung perspektivisch entsprechend angepasst. Betroffene, die tatsächlich über keine weiteren Familieneinkünfte durch Ehegatten verfügen, müssen eine höhere Alimentation künftig extra beantragen.
NRW-Beamtenbesoldung: Selbst Richterbund spricht von „Taschenspielertrick“
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) spricht von einem „Rechentrick“, mit dem das Beamteneinkommen künstlich größer gemacht werde. Der Hintergrund: Verfassungsrechtlich muss das Netto einer Beamtenfamilie um mindestens 15 Prozent höher sein als das einer Familie, die staatliche Sozialleistungen bezieht. Wenn das Land also bei Beamten der unteren Besoldungsgruppen einfach miteinrechnet, dass ein Ehepartner auch noch Geld verdienen könnte, ist der gebotene Mindestabstand zu Bürgergeld-Beziehern leichter herzustellen.
Auch der Beamtenbund (DBB) reagiert empört: „Mit dieser Änderung wird die Bemessung der Besoldung, so wie sie traditionell erfolgt ist, in seinen Grundfesten und in seinem Fundament geändert.“ Der Bund der Richter und Staatsanwälte sieht erhebliche verfassungsrechtliche Probleme und kritisiert, dass für die Auskömmlichkeit eines Beamten-Netto künftig Partnergehälter aus anderen Berufen herangezogen werden: „Die staatliche Alimentationspflicht wird teilprivatisiert. Und das auch noch fiktiv, mit der Möglichkeit, einen Reparaturantrag zu stellen.“
NRW-Beamte sollen korrekte Mindestalimentation künftig beantragen
Die Richter und Staatsanwälte sprechen von einem „Taschenspielertrick“ der Landesregierung, der die Personalprobleme im öffentlichen Dienst verschärfen werde: „In den unteren Besoldungsgruppen besteht dann gar kein Anreiz mehr tätig zu werden.“ Mittelbar betroffen sind jedoch auch höhere Beamte, weil sich das Vergütungssystem über das Prinzip der amtsangemessenen Besoldung im öffentlichen Dienst von unten nach oben aufbaut.
CDU und Grüne sehen sich jedoch auf der sicheren Seite. Der Grünen-Abgeordnete Simon Rock verwies im Landtag auf einzelne andere Bundesländer, die ähnlich vorgingen. Außerdem sei die Änderung bei der Mindestalimentation von renommierten Verfassungsrechtlern goutiert worden. Der Bund verzichtet allerdings bei den Bundesbeamten weiterhin auf die Einführung eines solchen Berechnungsmodells mit „Partnereinkommen“. Schwarz-Grün beruft sich auf eine veränderte Lebensrealität, in der die Alleinverdiener-Ehe auch in Beamtenhaushalten längst nicht mehr die Regel sei.
Kritiker halten den „Modernisierungsanspruch“ von Schwarz-Grün für vorgeschoben. Tatsächlich gehe es wohl eher darum, Geld einzusparen. Um den verfassungsrechtlichen 15-Prozent-Mindestabstand zu einer vierköpfigen Familie in Grundsicherung zu wahren, müsste normalerweise das Nettoeinkommen der unteren Besoldungsgruppen angehoben werden.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) stößt sich daran, dass künftig der Beamte selbst nachvollziehen soll, ob seine Mindestalimentation korrekt berechnet wurde. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Land bewusst „auf Lücke“ setzt und hofft, dass schon nicht so viele Staatsdiener gegen die neue Berechnungsmethode vorgehen werden. Man überlasse es den Beamten, „die neben dem Dienst noch die mittlerweile kaum noch verständlichen Besoldungsvorschriften durchdringen und anschließend eigenständig prüfen sollen, ob ihre Besoldung rechtskonform ist und einen Antrag einreichen müssen, soweit dies nicht der Fall ist“, klagt die GdP.
FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel hält es für schlechten Stil der Landesregierung, dass eine tiefgreifende Strukturreform gewissermaßen in eine routinemäßige Besoldungsanpassung gemogelt wurde. Eigentlich sollte nur die 1:1-Übertragung des Tarifergebnisses im Öffentlichen Dienst auf die Landesbeamten vollzogen werden, bevor dann die neue Berechnungsmethode Eingang ins Gesetz fand. „Das gehört nicht zusammen und muss in separaten Gesetzgebungsverfahren behandelt werden“, forderte Witzel am Freitag vergeblich. Es werde „riesiger Bürokratieaufbau“ betrieben, wenn der Dienstherr künftig monatlich Anträge auf auskömmliche Mindestalimentierung bearbeiten müsse.
SPD-Fraktionsvize Christian Dahm sieht angesichts der 17.000 offenen Stellen beim Land ein falsches Signal und sagt der Landesregierung die nächste Niederlage vor dem Verfassungsgerichtshof voraus: „Sehenden Auges soll in diesem Fall ein neues, fragwürdiges und willkürliches Instrument bei der Beamtenbesoldung eingeführt werden.“