Jerusalem. Die Kommandokette der Miliz ist empfindlich geschwächt. Welche Optionen hat die Hisbollah nun? Und wie reagieren Israel und der Iran?

Mehr als 32 Jahre lang prägte Hassan Nasrallah als Hisbollah-Führer das Geschehen in der Region. Seine öffentlichen Auftritte wurden auch in Israel verfolgt. Israelische Schüler und Schülerinnen, die den Namen des israelischen Bildungsministers nicht nennen können, kennen den des Hisbollah-Führers sehr wohl.

Nun ist Hassan Nasrallah bei einem massiven Luftschlag der israelischen Armee auf das Hauptquartier der Hisbollah ums Leben gekommen. Neben ihm wurde bei dem Angriff, der mit 85 Ein-Tonnen-Bomben der bislang schwerste israelische Luftschlag im Libanon seit Kriegsbeginn war, auch der Kommandeur der südlichen Front der Hisbollah, Ali Karaki, getötet. Was ist jetzt zu erwarten?

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Hisbollah: Hassan Nasrallah bei israelischem Angriff getötet – wer folgt nun?

Unmittelbar bringt es eine weitere Schwächung der bereits erheblich gestörten Kommandokette der schiitischen Miliz: Da auch die Nummer zwei und drei an der Spitze der Hisbollah unlängst israelischen Schlägen zum Opfer fielen, ist die Nachfolge alles andere als offensichtlich. Sie muss nun von Teheran geklärt werden. Das hemmt die Miliz wenigstens kurzfristig in ihrer Schlagkraft – die Frage ist jedoch, für wie lange. Israels Streitkräfte werden in der Zwischenzeit versuchen, weitere Hisbollah-Führer zu beseitigen.

Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah (r.) mit Hamas-Chef Ismail Haniyeh.
Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah (r.) mit Hamas-Chef Ismail Haniyeh. © AFP | -

Die Befehlskette der Hisbollah ist zwar deutlich geschwächt. In Israel weiß man aber, dass Köpfe austauschbar sind. Die Armee wird daher auch in den nächsten Tagen nicht nur auf das Personal, sondern vor allem auch auf den Rüstungsbestand der Hisbollah abzielen.

Iran muss schnell über Nasrallah-Nachfolge entscheiden

Teheran muss nun rasch entscheiden, wie es gelingen kann, den massiven Bestand an Raketen und Lenkwaffen gegen die immer intensiveren israelischen Luftschläge zu schützen. Es ist im allerhöchsten iranischen Interesse, dass nicht noch mehr Rüstungsmasse verloren geht – zumal die Hisbollah ja aufgebaut wurde, um Israel unter Druck zu setzen und von direkten Schlägen im Iran abzuhalten.

Trümmer und Krater am Ort eines israelischen Luftangriffs in Choueifat südöstlich von Beirut.
Trümmer und Krater am Ort eines israelischen Luftangriffs in Choueifat südöstlich von Beirut. © dpa | Hussein Malla

Im Libanon lautet das Dilemma nun: „Use it or lose it“: Entweder, man setzt die Raketen gegen Israel ein, oder die massiven Investitionen gehen verloren. Dann gibt es aber auch noch die Option, dass der Iran selbst Israel angreift, wie es bereits zweimal geschah. In Israel geht man derzeit davon aus, dass Teheran daran kein Interesse hat – sondern lieber seine Proxys in der Region vorschicken wird.

Von allen nun möglichen Szenarien ist eines durch die Ereignisse von Freitagabend wohl deutlich unwahrscheinlicher geworden: Einen Waffenstillstand wird es so bald nicht geben können. Das hat mehrere Gründe.

Waffenstillstand rückt in weite Ferne – Israels Armee dürfte weiter Druck machen

Den Druck, den Israel in den vergangenen Tagen aufgebaut hat, um die Hisbollah zu schwächen, wird die Armee nun nutzen wollen und müssen. Man wird weiter versuchen, aus der Luft die Kommandostruktur zu schwächen und Rüstung zu vernichten.

Das wird aber eher nicht ausreichen, um das dahinter stehende Kriegsziel – die Rückkehr der mindestens 60.000 evakuierten Nordisraelis in ihre Häuser – zu erreichen. Konservative Kräfte, und sie stellen in Israel die Mehrheit, halten eine Bodenoffensive für unabdinglich, um für Ruhe an der nördlichen Grenze zu sorgen. Israels vergangene Libanon-Missionen haben sich jedoch schon als äußerst komplex erwiesen.

Israelische Panzer sammeln sich an der israelisch-libanesischen Grenze.
Israelische Panzer sammeln sich an der israelisch-libanesischen Grenze. © dpa | Ilia Yefimovich

Die Armee könnte daher versuchen, mit einer anhaltenden Phase an Luftschlägen „den Boden aufzubereiten“, wie es im Militärjargon heißt: Also schwere Luftschläge, die wohl auch zu vielen Toten und massivem Leid in der libanesischen Zivilbevölkerung führen werden. Wie schon zuvor in Gaza könnte man erst nach dieser Phase die Bodentruppen hineinschicken. Die Mobilisierung dafür ist bereits im Gang. Nach einem Jahr Krieg ist Israels Armee jedoch geschwächt: Einerseits durch schwindenden Rückhalt in der Welt, andererseits durch die starke Beanspruchung seiner Reservisten.

Hisbollah durch Luftschläge deutlich geschwächt

Was Israel im besten Fall mit dieser militärischen Operation gewinnen kann: eine deutliche Schwächung der Hisbollah, auch innerhalb der libanesischen Gesellschaft. Und ein Signal an Teheran, dass sich massive Investitionen in Proxys in der Region nicht lohnen. Ob dieses Signal ankommt, wird sich zeigen. Sollte es missglücken, ist die Wiederaufrüstung der Hisbollah nur eine Frage der Zeit.

Mehr von Israel-Korrespondentin Maria Sterkl