Washington. Darauf hat Selenskyj gewartet. USA und Großbritannien wollen offenbar grünes Licht für weitreichende Raketen gegen Russland geben.
Wird heute (Freitag) in Washington ein potenzieller „Game-Changer“ für den Krieg in der Ukraine auf den Weg gebracht? Geben US-Präsident Joe Biden und der dann zu Besuch einfliegende britische Premierminister Keir Starmer der Ukraine grünes Licht für den Einsatz weitreichender Mittelstrecken-Raketen westlicher Bauart gegen Moskau?
Definitiv beschlossen ist noch nichts, wie das Weiße Haus verlauten ließ. Die endgültige Entscheidung könnte auch erst während der Generalversammlung der Vereinten Nationen Ende des Monats in New York fallen.
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Putin schickt Warnung an den Westen
Aber Russlands Präsident Wladimir Putin deutet die Zeichen der Zeit so, dass er sich am Donnerstagabend zu einer außergewöhnlichen Präventiv-Warnung veranlasst sah: Sollten die westlichen Führungsmächte den Einsatz solcher Raketen freigeben, die 250 Kilometer und mehr in russisches Territorium vordringen können, würde dies „die Natur des Konflikts in erheblichem Maß verändern”.
Laut Kreml-Herrscher würde das bedeuten, dass „Nato-Staaten, die USA, europäische Staaten im Krieg mit Russland sind“. Begründung: Kiew könne solche Waffen-Systeme nicht eigenständig bedienen, wäre auf die Hilfe von Soldaten und Satelliten-Daten des Westens angewiesen. Moskau sehe sich dann genötigt, „die entsprechenden Entscheidungen auf der Grundlage der Bedrohungen treffen, mit denen wir konfrontiert sein werden“, fügte Putin umständlich hinzu. Seine Botschaft: Lasst das besser. Im Subtext schwingt mit, was in West-Europa regelmäßig Ängste freisetzt: die Drohung einer möglichen nuklearen Antwort.
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Selenskyj drängt seit Wochen auf Erlaubnis für Raketen-Einsatz tief in Russland
Am Vorabend des Besuchs aus London sah es so aus, als bewege sich die US-Administration nach monatelangen rhetorischen Abwehrkämpfen auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu. Er bittet seit Langem um die Erlaubnis, auch russische Militärstellungen angreifen zu dürfen, die weit außerhalb der Grenzgebiete liegen.
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Biden hatte dies bisher stets abgelehnt. Aus Sorge, dass Putin sich zu Gegenmaßnahmen entschließen könnte, die in eine direkte Konfrontation USA-Russland münden könnten.
Selenskyj hält die Befürchtungen für übertrieben. Er verweist darauf, dass die russische Antwort auf den im August begonnenen ukrainischen Angriff in der russischen Grenzregion Kursk samt Besetzung von 1300 Quadratkilometer Land moderat ausgefallen sei.
Blinken deutet Wende in Raketen-Frage an
Was Kiew im russischen Hinterland ins Visier nehmen würde, erläuterten Selenskyj und seine Militärführung am Mittwoch den Chef-Diplomaten aus London und Washington. Was David Lammy und Antony Blinken von ihrer Visite in Kiew mitgebracht haben, ist öffentlich bislang nicht bekannt.
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Blinken hatte jedoch zaghaft eine Wende angedeutet: „Wir wollen, dass die Ukraine gewinnt. Und wir sind vollständig entschlossen, die Hilfe bereitzustellen, die sie benötigt, damit ihre tapferen Soldaten und Bürger genau das erreichen können.” Eine bewusste Abgrenzung zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, der in der TV-Debatte gegen die demokratische Rivalin Kamala Harris mehrfach die Frage unbeantwortet ließ, ob die Ukraine aus dem russischen Angriffskrieg als Sieger hervorgehen soll. Trump wird eine große, schwer erklärbare Nähe zu Putin nachgesagt.
Mögliche Bedingung an die Ukraine: Keine US-Raketen
Die gewöhnlich gut unterrichtete „New York Times“ ließ am Donnerstag durchblicken, dass Biden offenbar auf dem Weg sei, seine aus der Sorge vor einer Eskalation gespeiste Zurückhaltung aufzugeben und besagte Waffensysteme unter bestimmten Bedingungen freizugeben, solange es keine amerikanischen Waffen seien. Ob US-Raketen vom Typ ATACMS (Reichweite 300 Kilometer) zum Einsatz kämen, wäre demnach fraglich.
Dazu würde passen, dass in diplomatischen Kreisen in Washington bekannt wurde, dass London bereits die Grundsatzentscheidung getroffen habe, „Storm-Shadow“-Marschflugkörper bereitzustellen. Auch die französische Version vom Typ „Scalp“ ist im Gespräch.
London und Washington wollen ihren Schritt offenbar auch damit begründen, dass sich durch eine Raketen-Achse Russland-Iran „ein neues Bedrohungs-Szenario entwickelt hat“, sagte ein EU-Diplomat. Hintergrund: Teheran hat damit begonnen, ballistische Raketen an Russland zu liefern.
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Neue Debatte um deutsch Taurus-Raketen droht
In Washington hätte Biden, der bei seiner Entscheidung auch an die Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris und die wachsende Kriegsmüdigkeit in den USA denken muss, im Falle einer Freigabe die Unterstützung führender Republikaner wie Mitch McConnell und Michael McCaul. Sie befürworten einen robusteren Auftritt gegenüber Russland. Trump dagegen, so wird erwartet, würde eine solche Entscheidung scharf kritisieren und in sein Wahlkampf-Szenario vom angeblichen drohenden Dritten Weltkrieg einbauen.
Geben Biden und Starmer am Freitagabend deutscher Zeit das Signal für den Einsatz von weitreichenden Raketen, würde dies auch die Bundesregierung in Berlin beschäftigen und die Debatte um Marschflugkörper vom Typ Taurus (500 km Reichweite) neu entfachen. Bundeskanzler Olaf Scholz hat es bisher regelmäßig abgelehnt, Kiew diese Waffe zur Verfügung zu stellen. Aus Angst vor russischen Gegenreaktionen, die außer Kontrolle geraten könnten.