Berlin. Die FDP ist in Thüringen und Sachsen zur 1-Prozent-Partei geschrumpft. Fraktionschef Christian Dürr sagt, welche Konsequenzen das hat.

Nach dem Debakel von SPD, Grünen und FDP bei den Ost-Wahlen geht das Gespenst des Koalitionsbuchs um. „Die Ampel hat ihre Legitimation verloren“, schrieb FDP-Vize Wolfgang Kubicki auf X. Im Interview mit unserer Redaktion sagt FDP-Fraktionschef Christian Dürr, was jetzt passieren muss – und was das für Finanzminister Christian Lindner bedeutet.

Herr Dürr, wann verlässt die FDP die Ampel?

Christian Dürr: Die Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen sind ein klares Signal an alle Regierungen in Deutschland – ob im Bund oder den Ländern: Wir brauchen eine Wende in der Migrationspolitik. Wir werden dann ein weltoffenes und tolerantes Land bleiben, wenn alle Ebenen Recht und Gesetz auch durchsetzen. Eine Regierung ist für vier Jahre gewählt. Nach einem bitteren Wahlabend hinzuwerfen und sich aus der Verantwortung zu stehlen, ist keine Option für die FDP. Im Übrigen ist das genau das, was die AfD will: Instabile Verhältnisse schaffen, für Unsicherheit sorgen – denn das ist ihr Nährboden.

Die Koalition tut weder Deutschland noch der FDP gut …

Dürr: Für uns ist das eine ungewöhnliche und schwierige Konstellation, aber es geht heute auch nicht um das Wohl der FDP, sondern darum, das Land nach vorne zu bringen. Dass die Koalition Deutschland nicht guttut, weise ich nämlich entschieden zurück. Wir haben nach Jahren des Reformstaus vieles angestoßen, ich denke an die Planungsbeschleunigung beim Infrastrukturausbau oder an Entlastungen bei der Einkommensteuer. Wir haben das Land durch die Energiekrise geführt. Ich hätte mir an vielen Stellen mehr Mut gewünscht, mehr Geschwindigkeit, das gebe ich zu. Aber in keiner Koalition geht Veränderung von heute auf morgen.

Die Ampel handelt nicht, sie streitet – so der allgemeine Eindruck.

Dürr: Dass dieser Eindruck entstanden ist, teile ich. Und der Eindruck in Zukunft muss sein: Die diskutieren, aber die handeln auch.

Ihre Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen sind kaum noch messbar, die FDP liegt bei 1 Prozent. Wie wollen Sie es übernächste Woche in den Landtag von Brandenburg schaffen?

Dürr: Wir werden konzentriert weiterarbeiten, um ein besseres Ergebnis in Brandenburg zu erzielen. Bei der Europawahl ist uns das nämlich gelungen. Und als Koalition können wir uns jetzt nicht mit uns selbst beschäftigen, sondern wir müssen unseren Job machen. Das erwarten die Menschen von uns.

Haben Sie eine Vorstellung, was Sie bis zur Bundestagswahl in der Ampel noch durchsetzen können?

Dürr: Wir müssen die Wirtschaft nach vorne bringen, wieder für mehr Wachstum sorgen. Dafür steht die verabredete Wirtschaftswende. Und wir brauchen eben eine grundlegende Neuordnung der deutschen Migrationspolitik. All das, was wir bisher gemacht haben, waren Schritte in die richtige Richtung, aber die Schritte waren zu klein. Werte wie Toleranz und Weltoffenheit werden wir nur erhalten können, wenn wir mehr Kontrolle und Ordnung schaffen. Bund und Länder müssen klare Entscheidungen treffen, ohne weiter über Zuständigkeiten zu streiten und mit dem Finger aufeinander zu zeigen. Wir müssen jetzt zeigen, dass wir handlungsfähig sind. Das Migrations- und Sicherheitspaket der Bundesregierung ist dafür ein wichtiger Meilenstein.

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Christian Lindner hat viel Unmut auf sich gezogen, nicht nur in der Koalition. Ist die FDP gut beraten, ein weiteres Mal mit ihrem Parteichef als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl zu ziehen?

Dürr: Natürlich. Darüber mache ich mir überhaupt keine Gedanken. Christian Lindner hat uns bereits zwei Mal trotz großer Herausforderungen und schwankender Umfragewerte wieder in den Bundestag geführt – mit zweistelligen Ergebnissen. Als Minister sorgt er für finanzpolitische Stabilität. Ohne ihn wäre die Schuldenbremse längst Geschichte.

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