Berlin. Nach dem Wahlerfolg in Sachsen und Thüringen will das BSW mitregieren. Der Koalitionspartner steht fest – genauso wie das nächste Ziel.
Es ist ein Sensationserfolg für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW): Nur neun Monate nach der Gründung hat die Wagenknecht-Truppe bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen zweistellige Ergebnisse eingefahren – nachdem im Juni schon der Einzug ins EU-Parlament gelang. Einen derart schnellen Aufstieg in die Parlamente „hat es in der bundesdeutschen Geschichte noch nie gegeben“, sagte Parteichefin Sahra Wagenknecht bei der Wahlparty in Erfurt. Die thüringische BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf jubelte an Wagenknechts Seite: „Absolut historisches Ergebnis, ich habe Gänsehaut“.
Offenbar hat die Mischung aus Migrationsskepsis, eher linker Sozialpolitik und der Forderung nach einem Kurswechsel gegenüber Russland und der Ukraine genug Wähler überzeugt. Linkskonservativ nennt Wagenknecht das Angebot, Kritiker sprechen von einem diffusen Links-/Rechtspopulismus. Der Praxistest steht Wagenknechts Truppe nun früher als gedacht bevor: In Thüringen und womöglich auch in Sachsen wird das BSW für die Regierungsbildung benötigt – wenn Koalitionen mit der AfD ausgeschlossen bleiben und Minderheitsregierungen als Alternative verworfen werden.
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Wagenknecht stellte in Erfurt klar, eine Zusammenarbeit mit der AfD und Björn Höcke komme für das BSW nicht in Frage. Dafür zeigte sich die BSW-Gründerin am Wahlabend demonstrativ offen für Koalitionen mit der CDU: „Ich hoffe sehr, dass wir gemeinsam mit der CDU eine gute Koalition hinbekommen – und wahrscheinlich auch mit der SPD.“ Die Wähler wünschten sich stabile Regierungen, die die Probleme der Bürger angingen, sagte Wagenknecht.
Sahra Wagenknecht hofft auf eine Koalition mit der CDU
Als BSW-Themen nannte Wagenknecht die Bildung und Bürokratie, aber auch den Einsatz „für Frieden und Diplomatie“. Das klang bei weitem nicht so drastisch wie die Bedingungen, die Wagenknecht im Vorfeld zur Überraschung der Wahlkämpfer vor Ort als Bedingungen für Koalitionen genannt hatte: Die Landesregierungen müssten sich für den Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine und gegen die Stationierung von neuen US-Mittelstreckenraketen einsetzen.
Für Thüringens Spitzenkandidat Mario Voigt (CDU) bedeutete das eine größere Hürde als für Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU). Wagenknecht pocht aber wohl darauf, an den Koalitionsverhandlungen teilzunehmen – und mahnt vorab, die CDU müsse Rücksicht auf den großen Erwartungsdruck an ihre Partei nehmen. Eine Mitregierung sei nur möglich, wenn spürbare Verbesserungen für die Bürger herauskämen. „Wir werden uns nicht an einer Regierung beteiligen, von der die Menschen enttäuscht werden.“
Wie sich das BSW am Ende entscheidet, ist noch nicht absehbar. Vor allem die thüringische Spitzenkandidatin Wolf wird auch bei den anderen Parteien als pragmatische, koalitionsfähige Realpolitikerin geschätzt. Mit der sächsischen Frontfrau Sabine Zimmermann dürfte es in Dresden nicht ganz so einfach werden, doch gilt die langjährige Sozialpolitikerin immerhin als Politprofi. Unklar ist, wie viel Spielraum die BSW-Landespolitiker haben werden.
„Regierungsbeteiligung wird sich gar nicht vermeiden lassen“
Wagenknecht pocht darauf, an den Koalitionsverhandlungen teilzunehmen – und mahnt vorab, die CDU müsse Rücksicht auf den großen Erwartungsdruck an ihre Partei nehmen. „Eine Regierungsbeteiligung wird sich wahrscheinlich gar nicht vermeiden lassen, vor allem in Thüringen ist eine Verweigerung kaum vorstellbar“, meint aber der Bonner Parteienforscher Frank Decker.
Wagenknecht ahnt wohl das Risiko: Dem kometenhaften Aufstieg könnte eine ebenso schnelle Entzauberung folgen, wenn ihr populistischer Kurs in der Regierung nicht so einfach fortgesetzt werden kann. Decker rechnet dennoch mit einem Erfolg des BSW bei der Bundestagswahl im September 2025. „Ich halte es für ziemlich sicher, dass das BSW nächstes Jahr auch in den Bundestag einzieht. Die Ampel-Koalition ist in Agonie. Die großen Themen des BSW, von denen es besonders profitiert, werden bei den Wahlen 2025 eine große Rolle spielen – Migration, Ukraine-Krieg, soziale Sicherung.“
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