Berlin. Noch hofft der Familienvater, dass sein Flieger nächste Woche aus dem Libanon nach Deutschland abhebt. Sicher ist das nicht. Ein Schicksal.
Am 14. August will Hussein K. zurück nach Berlin zu seinen zwei Kindern. Der Flug, sagt er, sei bereits gebucht. Seit vielen Jahrzehnten lebt er in Deutschland und arbeitet als Handwerker. Zurzeit ist der Libanese auf Heimatbesuch in einem kleinen Dorf. Der nächste größere Ort ist Baalbek. „Hier gibt es nur ein paar Häuser auf einem Berg“, erzählt er am Telefon. Wie das Dorf heißt, soll lieber nicht öffentlich werden. Auch sein Nachname nicht. Noch rechnet er fest damit, dass er fliegen kann.
Aktuell ist der internationale Flughafen in Beirut voll funktionsfähig, allerdings fliegen manche Airlines ihn derzeit nicht mehr an, darunter die Lufthansa. Die Situation kann sich aber dramatisch ändern, wenn der Nahost-Konflikt eskalieren sollte. „Eine weitere Eskalation könnte auch dazu führen, dass der Flugverkehr ab dem Rafiq-Hariri-Flughafen komplett eingestellt wird“, warnt das Auswärtige Amt.
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Die Bundesregierung ruft deutsche Staatsangehörige bereits seit Oktober dazu auf, das an Israel grenzende Land zu verlassen. Auf der Internetseite der deutschen Botschaft in Beirut prangt eine „dringende Ausreiseempfehlung“. Wer sich dennoch weiter im Libanon aufhält, soll sich mit Kontaktdaten und Angaben zu weiteren Angehörigen in die Krisenvorsorgeliste „ELEFAND“ („Elektronische Erfassung von Deutschen im Ausland“) eintragen.
Libanon: Bundesregierung mahnt Deutsche zur Ausreise
Das Auswärtige Amt hat die dort Gemeldeten in den vergangenen Tagen abtelefoniert und noch einmal ermahnt, das Land in der Krisenregion umgehend zu verlassen. In sozialen Medien kursieren Videos von überfüllten Wartehallen am Flughafen. Vor Check-in-Schaltern bildeten sich lange Schlangen, Flüge werden kurzfristig abgesagt. Wie verschiedene deutsche Hilfsorganisationen und Stiftungen dieser Redaktion berichteten, ist die Ausreise aus dem Libanon für deutsche Staatsbürger bisher noch möglich. Nur die Flugpreise seien gestiegen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat alle ihre deutschen Mitarbeiter im Libanon bereits vor einigen Tagen abgezogen.
Sollte es zum Krieg zwischen Israel und dem Iran kommen, wird damit gerechnet, dass die mit den Mullahs in Teheran verbündete Hisbollah im Libanon Israel vom Norden aus attackiert – worauf Israel mit Angriffen antworten dürfte. Die Spannungen in der Region haben massiv zugenommen seit der Tötung des Hamas-Auslandschefs Ismail Hanija im Iran sowie der Tötung eines Militärkommandeurs der Hisbollah-Miliz im Libanon. Der Iran, die Hisbollah und die islamistische Hamas haben Vergeltung gegen Israel angekündigt.
Mit der Eskalation in der Region ist die Zahl der auf der Krisenliste registrierten deutschen Staatsbürger sprunghaft angestiegen. Zu Wochenbeginn standen nach Angaben des Auswärtigen Amts 2100 Namen auf der Liste. Wie viele Menschen mit deutschem Pass sich noch im Libanon aufhalten, ist den deutschen Behörden nicht bekannt. Es wird befürchtet, dass eine Ausreise per Flugzeug kaum mehr möglich ist, sobald die Lage im Nahen Osten außer Kontrolle gerät.
Bundeswehr bereitet Evakuierungsmission vor
Die Bundeswehr bereitet sich daher im niedersächsischen Wunstorf seit Tagen intensiv darauf vor, deutsche Staatsbürger aus dem Libanon zu holen, sollte der Ernstfall eintreten. Auf dem Fliegerhorst der Luftwaffe sind die Transportflugzeuge vom Typ A400M beim Lufttransportgeschwader 62 stationiert.
Dort stehen auch Piloten, Techniker und Koordinatoren bereit, um innerhalb kürzester Zeit mit den Maschinen abzuheben, wenn sie den Befehl dazu bekommen. „Die wissen alle, was sie zu tun haben“, heißt es aus Sicherheitskreisen. Innerhalb weniger Stunden können die Flugzeuge in der Luft sein und Kurs auf Beirut nehmen, sollte der zivile Flugverkehr zusammenbrechen.
Nahost-Konflikt: Erinnerungen an Evakuierungseinsatz in Afghanistan
Die Bundeswehrtransporter könnten deutsche Staatsbürger von der libanesischen Hauptstadt ins nahe gelegene EU-Land Zypern bringen, die Geretteten auf der Mittelmeerinsel absetzen und zurück nach Beirut fliegen – solange mögliche Kämpfe dies zulassen. Die knapp 80 Tonnen schweren und mit vier Propellermotoren ausgestatteten A400M sind offiziell dafür ausgelegt, bis zu 116 Personen zu transportieren.
Als die Bundeswehr aber vor drei Jahren bei einem spektakulären und hochgefährlichen Evakuierungseinsatz nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan deutsche Staatsangehörige, andere Ausländer und afghanische Ortskräfte aus dem Krisenstaat ausflogen, drängten sich bei manchen Flügen mehr als 200 Menschen auf dem Boden des Laderaums zusammen.
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Nicht zuletzt deshalb macht sich auch die Marine für einen Einsatz bereit, nach einem „Spiegel“-Bericht könnte die Fregatte „Hamburg“ Kurs auf den Libanon nehmen. Das Schiff ist demnach unterwegs zu einer Operation im Roten Meer und befindet sich derzeit südlich von Griechenland.
Hussein K.: „Niemand will hier einen großen Krieg“
„Es wird nicht viel passieren“, glaubt Hussein K. „Niemand will hier einen großen Krieg. Es geht darum, Rache zu nehmen, um nicht das Gesicht zu verlieren.“ Hussein rechnet mit ein paar gezielte Raketen, die vom Libanon auf Israel geschossen werden. Zivilisten, vermutet er, sollen nicht getroffen werden.
„Ich hoffe auf Gott, dass es nicht mein Dorf trifft“, sagt er. „Hier verstecken sich keine wichtigen Hisbollah-Führer. Wenn, dann wird das Nachbardorf getroffen.“ Wie er aus dem Land herauskommen will, wenn der Flug gestrichen wird? Hussein hat keine Ahnung. Er ist kein deutscher Staatsbürger, ist auch nicht in die Krisenliste eingetragen. Klar ist für ihn nur, dass er sich vorerst von Beirut fernhält: „Ich bleibe auf meinem Berg.“
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