Berlin. In Sachsen und Thüringen könnte die Koalitionsbildung schwierig werden. Eine Möglichkeit wäre eine Minderheitsregierung. Was ist das?

Bei der Landtagswahlen in Thüringen ist die AfD erstmals zur stärksten Kraft geworden. Laut Prognosen von ARD und ZDF kam die AfD auf deutlich mehr als 30 Prozent. Mit deutlichem Abstand dahinter auf Platz zwei liegt die CDU. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist klar zweistellig, die Linke ebenfalls. Die SPD dürfte den Einzug in den Thüringer Landtag knapp schaffen, Grüne und FDP nicht.

In Sachsen liefern sich CDU und AfD laut Prognosen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Drittstärkste Kraft ist das BSW, deutlich vor der SPD. Die Grünen müssen um den Einzug in den Landtag zittern.

Klar ist schon jetzt: Die Regierungsbildung dürfte in beiden Bundesländern schwierig werden. Denn: Nahezu alle Parteien schließen eine Zusammenarbeit mit der AfD aus. Eine Möglichkeit wäre eine Minderheitsregierung. Doch was genau ist das?

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Was ist eine Minderheitsregierung?

Von einer Minderheitsregierung spricht man, wenn die Regierung im Parlament keine Mehrheit hat. Konkret geht es um die absolute Mehrheit, für die mindestens die Hälfte der Stimmen nötig sind. In der Regel benötigt man eine solche absolute Mehrheit im Parlament, um einen Ministerpräsidenten oder eine Ministerpräsidentin zu wählen.

Verfügt die Regierung nicht über eine eigene Mehrheit, ist sie gezwungen, vor Entscheidungen mit den Oppositionsparteien zu verhandeln. Möglich ist dann, dass Teile der Opposition mit der Regierung stimmen und einen Beschluss so ermöglichen. Denkbar ist auch, dass sich Abgeordnete enthalten und so dafür sorgen, dass die eigentlich zu wenigen Stimmen der Regierung für eine Mehrheit ausreichen. Das Problem: Stößt ein Gesetzesvorhaben bei der Opposition auf Widerstand, kann es blockiert werden. Minderheitsregierungen gelten daher als weniger effizient.

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Minderheitsregierungen in Deutschland

Minderheitsregierungen sind in der Bundesrepublik Deutschland die Ausnahme. Auf Bundesebene gab es langfristig bisher keine einzige solche Koalition. Lediglich in Übergangszeiten wurde das Land kurzfristig ohne Mehrheit regiert, etwa als die rot-gelbe Koalition von Bundeskanzler Willy Brandt 1972 durch Partei- und Fraktionswechsel einzelner Mitglieder ihre Mehrheit verlor. 244 Tage führte die SPD daraufhin eine Minderheitsregierung.

Auf Landesebene gibt es deutlich mehr Beispiele. Einige davon sind:

  • Berlin: In der Bundeshauptstadt war die CDU von Juni 1981 bis März 1983 als Minderheitsregierung an der Macht. Sie wurde von Teilen der Opposition toleriert und ging schließlich in ein Bündnis von CDU und FDP über.
  • Hessen: In Hessen scheiterte nach der Landtagswahl 1982 die Mehrheitsfindung, die SPD regierte daraufhin bis 1985 ohne Mehrheit im Parlament.
  • Nordrhein-Westfalen: 2010 bildeten SPD und Grüne in NRW unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) eine Minderheitsregierung. Die Koalition platzte jedoch bereits nach zwei Jahren. Eine Abstimmung über den Haushalt scheiterte im Düsseldorfer Landtag an der fehlenden Unterstützung der Oppositionsparteien.
  • Sachsen-Anhalt: Kein anderes Bundesland wurde so lange von einer Minderheitsregierung geführt wie Sachsen-Anhalt. 2858 Tage war die SPD dort von 1994 bis 2002 ohne Mehrheit an der Macht – zunächst mit den Grünen, später allein.
  • Thüringen: In Thüringen ist schon vor der Landtagswahl eine Minderheitsregierung an der Macht. Sie entstand im Frühjahr 2020 unter der Führung von Bodo Ramelow (Die Linke).

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Die Herausforderungen einer Minderheitsregierung

Die größte Herausforderung für Minderheitsregierungen ist die ständige Notwendigkeit, Mehrheiten für Gesetzesvorhaben zu sichern. Dazu bedarf es intensiver Verhandlungen und Kompromisse mit den anderen Parteien. Ein Beispiel ist die Haushaltspolitik: Ohne die Zustimmung des Parlaments kann kein Haushalt verabschiedet werden, was zu politischen Blockaden führen kann. Zudem sind Minderheitsregierungen oft instabil und anfällig für Misstrauensvoten, da die Opposition jederzeit die Möglichkeit hat, die Regierung zu stürzen.

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Eine Minderheitsregierung hat Vor- und Nachteile, so die Bundeszentrale für politische Bildung. Zu den Nachteilen zählt, dass die Regierung geschwächt und radikale Parteien gestärkt werden könnten. Die Vorteile liegen darin, dass mehr Parteien ein Mitspracherechte erhalten und die Regierung stärker für ihre Ziele kämpfen muss.