Berlin. Joe Biden gibt ab. Die Entscheidung zum Rückzug fiel letzten Endes in knapp zwei Tagen – und war ein streng gehütetes Geheimnis.
Es ist ein Paukenschlag, der durch die Geschichte hallen könnte: Joe Biden, der 46. Präsident der USA, tritt nicht noch einmal an. Nach Wochen des Ringens um seine Kandidatur für das „Ticket“ der Demokraten hat der 81-Jährige nun die Reißleine gezogen – und will Platz machen für seine Vizepräsidentin, Kamala Harris. Sein Rückzieher elektrisiert die USA – und öffnet die Brieftaschen der Spenderinnen und Spender. Rund 50 Millionen US-Dollar sind in den ersten Stunden nach Bidens Ankündigung in die Kriegskassen der Demokraten geflossen. Gut hundert Tage vor der Wahl ist ein bereits entschieden geglaubter Wahlkampf wieder offen.
Zwar waren Beobachter davon ausgegangen, dass Joe Biden das Handtuch werfen würde. Seine Covid-Erkrankung erschien dann wie der perfekte Ausweg. Doch die Dramatik der Ereignisse lässt sich kaum überbieten. Offenbar hat der Präsident seine Entscheidung in gerade mal 48 Stunden getroffen – nachdem er wochenlang beteuert hatte, er werde antreten und seinen Konkurrenten, den verurteilten Straftäter Donald Trump, in die Schranken weisen.
Bidens Chance auf Sieg: „Quasi nicht-existent“
Dem Sender CNN sagte ein langjähriger Berater des Biden-Teams, der Präsident habe sich telefonisch mit seiner Familie und dem Wahlkampf-Team abgestimmt, während er sich in seinem Anwesen in Delaware von seiner Covid-Erkrankung erholte. Dabei soll am Samstag der Rückzugs-Plan geschmiedet worden sein – bevor er am Sonntag ausgeführt wurde. Anstatt sich in Delaware zu verschanzen, habe der Präsident unablässig Daten studiert, heißt es von dem Biden-Berater. Schließlich sei er zur Überzeugung gelangt, er sei im Kampf gegen eine Trump-Präsidentschaft gewissermaßen zum Klotz am Bein der Demokraten geworden.
Es müssen düstere Stunden gewesen sein. Seine beiden engsten Berater sollen ihm Informationen vorgelegt haben, die den Umfragestand abbildeten und nach denen führenden Demokraten klarstellten, dass ein Weg zum Sieg „quasi nicht-existent“ war, heißt es laut CNN aus dem Biden-Umfeld. Allerdings: Niemand soll Biden zum Rückzug gedrängt haben.
Stattdessen sei aus den Daten hervorgegangen, dass die Umfrage-Abstürze in den Swing States – zusammen mit der zunehmenden Zahl von Abweichlern in den Reihen der Partei – den Weg zurück zu einem aussichtsreichen Wahlkampf verschüttet hätten. Am Samstagabend sei es dann zur entscheidenden Familienzusammenkunft gekommen und die Entscheidung fiel.
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Selbst Bidens Paladine blieben im Dunkeln
Am Sonntagmorgen dann habe Biden dann, mit einem seiner engsten Vertrauten an seiner Seite, zum Telefon gegriffen und Schlüsselfiguren jenseits seines innersten Zirkels informiert. Offenbar nur eine Handvoll Menschen durfte vorab von dem Rückzug wissen – selbst im von Bidens Paladinen seien einige nur wenige Minuten vor dem Rückzieher informiert worden. Von den Mannschaften des Wahlkampfteams erfuhren die meisten dann via X von der Entscheidung ihres Chefs.
Auch Kamala Harris, die es nun für die Demokraten wohl hinbiegen soll, erfuhr erst am Sonntag von Bidens Plan. Mehrfach hätten die beiden miteinander telefoniert, heißt es aus dem Biden-Umfeld. Harris stehen nicht minder dramatische Stunden ins Haus. Sie muss ihren „Running Mate“ bestimmen – und die Partei von sich überzeugen.