Brüssel. Die EU macht Ernst im Streit mit Chinas Autoindustrie. Warum auch deutsche Hersteller betroffen sind und was das für Autokäufer heißt.
Im Streit um Elektroautos steuern die Europäische Union und China nun doch auf einen ernsten Handelskonflikt zu. Die EU macht ihre vor drei Wochen ausgesprochene Drohung wahr und führt an diesem Freitag vorläufige Strafzölle auf den Import von Elektroautos aus China ein – mit Aufschlägen von bis zu 38 Prozent. Eine umfassende Untersuchung habe ergeben, dass die Hersteller von Elektroautos in China über die gesamte Wertschöpfungskette von „unfairen Subventionen“ profitierten, erklärte die EU-Kommission in Brüssel.
Durch das Preisdumping drohe den europäischen Wettbewerbern ein wirtschaftlicher Schaden. Nach Angaben der Kommission sind Elektroautos aus China auch dank der Staatshilfen bislang um rund 20 Prozent günstiger als die in der EU hergestellten Modelle.
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Die vorläufigen Strafzölle unterscheiden sich je nach Hersteller, abhängig vom Ausmaß der Staatshilfen und der Kooperationsbereitschaft während der laufenden Antisubventionsuntersuchung: Für den Hersteller BYD soll der Aufschlag 17,4 Prozent betragen, für Geely 19,9 Prozent und für den Staatskonzern SAIC sowie nicht kooperationsbereite Firmen 37,6 Prozent. Für andere Hersteller sind 20,8 Prozent vorgesehen.
EU sicher: Es wird weiter preisgünstige Autos aus China geben
Autokäufer in Europa müssen wegen des Extrazolls nach Expertenschätzungen mit höheren Preisen bei E-Autos aus der Volksrepublik rechnen, das Ausmaß ist allerdings bislang offen. Auch wenn die Gewinnspannen der chinesischen Hersteller in Europa bisher als relativ üppig gelten, dürfte der Spielraum nicht groß genug sein, um etwa bei einem 40.000 Euro teuren E-Fahrzeug einen Strafzoll von 8000 bis 15.000 Euro ohne Preisanhebungen zu kompensieren.
Nach Berechnungen des europäischen Umwelt-Dachverbands Transport und Umwelt (T&E) könnten die Strafzölle mittelgroße Fahrzeuge und SUV aus China teurer machen als vergleichbare europäische Modelle, während kompakte SUV und Oberklasse-Limousinen trotzdem etwas billiger bleiben könnten.
Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel erwartet ebenfalls steigende Preise. Nach einer am Donnerstag vorgelegten IfW-Studie dürfte in der EU als Folge der Aufschläge der Absatz von Elektroautos aus der Volksrepublik um 42 Prozent zurückgehen. Die Wissenschaftler rechnen aber nicht damit, dass sich durch diese Marktveränderung das Preisniveau von E-Autos insgesamt deutlich erhöht – die Preise für Elektroautos in Europa würden demnach insgesamt längerfristig nur leicht um 0,3 bis 0,9 Prozent steigen, kurzfristig allerdings auch stärker.
Auch in der EU-Kommission wird das Risiko von Preissprüngen, die den Ausbau der E-Mobilität bremsen könnten, als „nicht gravierend“ eingestuft. Es werde weiter preisgünstige Autos aus China geben, heißt es in der Behörde, aber künftig zu „fairen Preisen“.
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Allerdings ist das letzte Wort noch gar nicht gesprochen: Die endgültige Einführung der Strafzölle für fünf Jahre soll erst im November besiegelt werden, den Beschluss müssen die Regierungen der Mitgliedstaaten fassen – was angesichts der Widerstände etwa aus der Bundesregierung nicht garantiert ist. Bis dahin müssen die Zölle noch nicht gezahlt werden, die Importeure haben stattdessen Sicherheitsleistungen zu hinterlegen. Der chinesischen Regierung wird bis November ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, durch Zugeständnisse die Zölle noch abzuwenden. Gespräche dazu laufen zwischen Brüssel und Peking, ein Besuch von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in China hatte vor zehn Tagen den Bemühungen einen neuen Schub gegeben.
Auch deutsche Hersteller wie BMW und Mercedes betroffen
Auf eine solche Einigung richten sich jetzt die großen Hoffnungen der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft. Vor allem die heimische Autoindustrie ist besorgt, weil China schon Vergeltungsmaßnahmen auf seinem Markt angedroht hat, die vor allem Oberklasse-Fahrzeuge deutscher Hersteller treffen könnten. Zudem sind deutsche und europäische Firmen zum Teil selbst direkt vom Strafzoll betroffen, da sie ihre in China hergestellten E-Fahrzeuge auch nach Europa ausführen – das reicht vom BMW-SUV iX3 über den Smart #1 von Mercedes bis zu Volvos Modell EX30.
Die Präsidentin des Verbands der deutschen Autoindustrie (VDA), Hildegard Müller, rief eindringlich zu einer Verständigung auf, um einen „globalen Handelskonflikt“ abzuwenden: „Ausgleichszölle für aus China importierte E-Pkw sind nicht geeignet, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie zu stärken“, sagte Müller. Zwar sei die staatliche Unterstützung, die China seiner Autoindustrie zukommen lasse, eine „Herausforderung“. Doch warnte Müller: „Der potenzielle Schaden, der von den vorläufig angesetzten Ausgleichszöllen ausgehen könnte, ist voraussichtlich höher als der mögliche Nutzen einer zunehmenden Marktabschottung für die europäische – und insbesondere die deutsche – Automobilindustrie.“
Die klare Positionierung der deutschen Autobauer hängt auch mit ihrer Erwartung zusammen, dass chinesische E-Autos den europäischen Markt nicht überschwemmen werden: Der chinesische Anteil am gesamten Automarkt in Europa werde sich 2030 bei etwa fünf bis zehn Prozent einpendeln, so der VDA. Auch der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) fordert, das Zeitfenster bis zum Herbst für intensive Gespräche mit Peking zu nutzen. Das chinesische Handelsministerium zeigte sich am Donnerstag weiter verhandlungsbereit: Ein Sprecher sagte, die europäische und die chinesische Seite sollten „aufeinander zugehen, Aufrichtigkeit zeigen und den Konsultationsprozess beschleunigen“.